Kommentar: Die Renaissance der First-Party-Spiele
Es war einmal vor langer, langer Zeit, da beherrschte eine Firma den Konsolenmarkt wie keine andere. Die Rede ist natürlich von SNK und dem Neo Geo. Nein, Quatsch… ich meine Sonys zweite Konsole… Wie hieß sie gleich noch mal? PlayStation 2. Genau.
Von 2000 bis etwa 2008 dominierte Sony den weltweiten Spielemarkt und bis heute ist die „PS2“ mit über 155 Millionen veräußerten Geräten die am meisten verkaufte Videospiel-Konsole aller Zeiten. Einzig der Nintendo DS kommt auf ähnlich gute Zahlen. Nintendos Wii – von 2006 bis 2012 ein gigantischer Erfolg – kommt gerade einmal auf gut 100 Millionen Einheiten, modernere Konsolen wie die Xbox One und die Playstation 4 schaffen es nicht einmal mit zusammengerechneten Verkaufszahlen die PlayStation 2 vom Thron zu stoßen.
Der Erfolg der Playstation 2 hatte mehrere Gründe: Da wäre zum Beispiel die simple Tatsache, dass Sonys Konsole zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der einzigen wirklichen Konkurrenz (Segas Dreamcast) technisch hoch überlegen war. Außerdem sahen viele Leute in der PlayStation 2 eine relativ kostengünstige Alternative zu damals noch brandneuen und entsprechend teuren DVD-Playern. Wer sich eine PS2 kaufte, durfte neben aktuellen Spielen auch Hollywood-Blockbuster auf dem heimischen Fernseher genießen. Nintendos Gamecube, der erst ein Jahr nach der PS2 auf den Markt kam, war als reine Spielekonsole konzipiert. Die würfelförmige Konsole war zwar in der Lage, optische Datenträger (eigens entwickelte MiniDVDs) auszulesen, konnte Film-DVDs jedoch nicht abspielen.
Ohne Frage der Hauptgrund für Sonys Höhenflug war jedoch das breit gefächerte Line-Up der PlayStation 2. Viele Toptitel wie Grand Theft Auto 3, Metal Gear Solid 2 und 3, Ridge Racer V, Devil May Cry, Silent Hill 2 und 3 oder Final Fantasy X kamen exklusiv für Sonys schwarzen Kasten auf den Markt und wurden entweder gar nicht oder erst deutlich später auf andere Systeme portiert.
Wer sich die Namen der eben genannten Spiele noch einmal durchliest, stellt fest: Keiner dieser Exklusivtitel stammt aus dem Hause Sony. Die PlayStation 2 hatte durchaus echte Systemseller von hauseigenen Entwicklerstudios, aber für jedes God of War oder Gran Turismo kamen mindestens drei große Titel von Konami, Capcom, SquareSoft (heute Square Enix) oder irgendeinem anderen 3rd-Party-Publisher. Vor allem japanische Entwickler lieferten mit überragender Regelmäßigkeit exklusive AAA-Spiele ab. Sony hatte überraschend wenige wirklich gute First-Party-Titel. Wieso? Weil sich die PlayStation 2 auch ohne eigene Spiele hervorragend verkaufte. First-Party-Spiele waren schlicht und einfach unnötig. Sony dominierte den Konsolenmarkt mit brutaler Effektivität. Bis Microsoft die Xbox 360 auf den Markt brachte und Sony mit den eigenen Waffen schlug.
Das Ende einer Ära
Microsoft schaffte es mit kostengünstiger und dennoch leistungsstarker, PC-ähnlicher Hardware viele ehemals PlayStation-exklusive Serien auf die Xbox 360 zu locken. Nachfolger aller (!) oben genannter Third-Party-Spiele wurden sowohl auf Sonys PlayStation 3 als auch auf Microsofts grauer Wunderkiste veröffentlicht, und fast so wie die japanischen Entwickler einige Jahre zuvor zu Sony gewandert waren, liefen westliche Entwickler nun vermehrt zu Microsoft. Große Blockbuster wie The Elder Scrolls: Oblivion, Call of Duty 2, Command & Conquer 3, Mass Effect oder Prey wurden zunächst konsolenexklusiv für Microsofts Flaggschiff entwickelt und verhalfen der Xbox 360 trotz berühmt-berüchtigtem Red-Ring-of-Death zu großem Erfolg. Wie Sony zuvor, ließ Microsoft nur wenige hauseigene Studios große Blockbuster-Titel entwickeln und setzte stattdessen voll auf das Line-Up von Third-Party-Entwicklern, das mit den Werken von First- und vor allem Second-Party-Entwicklern angereichert wurde. Einige Serien, die jeder Spieler heute mit der Marke Xbox verbindet, kamen zunächst nicht von First-Party-Studios. Beispielweise wurde das erste Gears of War bereits 2006 von Epic Games entwickelt und von Microsoft veröffentlicht, erst 2014 sicherte sich Microsoft jedoch die Rechte an der Serie, wohlgemerkt ohne Epic Games zu kaufen.
Der First-Party-Krieg
Heute werden die großen Titel sämtlicher Third-Party-Publisher in der Regel sowohl auf der PlayStation 4 als auch auf der Xbox One veröffentlicht. Wer nur an FIFA, Need for Speed, Final Fantasy, Assassin’s Creed und Co interessiert ist, dem kann es eigentlich völlig egal sein, ob er sich letztlich für Sonys oder Microsofts Konsole entscheidet. Exklusivtitel ergeben finanziell gesehen einfach keinen Sinn. Die Entscheidung, Rise of the Tomb Raider zunächst exklusiv für die Xbox One zu entwickeln, dürfte Square Enix trotz Finanzspritze von Microsoft bereut haben. Gleiches gilt für Electronic Arts und Titanfall. Ähnliche Abkommen wird es in absehbarer Zeit also wohl nicht wieder geben. Exklusivtitel sollten so gesehen immer seltener werden, aber paradoxerweise könnte gerade dieser Trend für deutlich mehr Exklusivtitel sorgen - denn dadurch, dass sich die Third-Party-Publisher von diesen Spielen abwenden, sind die exklusiven Entwicklungen für die Konsolenhersteller so wichtig wie nie zuvor. Microsoft, Sony und Nintendo müssen vermehrt in First-Party-Studios investieren, um sich von der Konkurrenz abzuheben.
Nintendo macht dies schon seit Jahren so. Der japanische Videospielgigant lebt praktisch von den eigenen IPs. Seien wir ehrlich: Wer sich eine Nintendokonsole anschafft, kauft sie sich lediglich für Nintendos hauseigene Marken. Third-Party-Spiele wie Doom oder Skyrim sind bestenfalls als Bonus anzusehen. Mario, Link und Co sind die Hauptattraktionen.
Die Studios des anderen japanischen Videospielgiganten pumpen seit etwa 2016 einen Top-Titel nach dem nächsten auf den Markt. Sony wird dafür vielerorts gelobt. Horizon Zero Dawn, God of War, Detroit: Become Human, Spiderman, Uncharted 4, The Last of Us Part 2 - das exklusive Line-Up der PS4 ist beeindruckend, doch Sony wurde zu der Entwicklung vieler Exklusivtitel gezwungen. Ehemalige Systemseller von Third-Party-Publishern haben ein zweites Zuhause bei der Konkurrenz gefunden. Auf Final Fantasy, Metal Gear Solid und GTA kann sich Sony nicht mehr stützen.
Und Microsoft? Die Redmonder sind jetzt an einem Punkt, an dem Sony kurz nach Beginn der PS3-Ära war. Man könnte sagen: Microsoft ist das neue Sony. Die Systemseller sind weg, Alleinstellungsmerkmale selten. Von einer Softwareflaute ist die Rede. Die Xbox One dümpelt vor sich hin. Erste Zeichen der Besserung haben sich aber am Horizont längst aufgetan. Auf der E3 verkündete Microsoft die Übernahme von vier Studios, darunter Hellblade-Entwickler Ninja Theory. Ein weiteres Studio – The Initiative – wurde neu gegründet. Langfristig bedeutet das: Mehr Exklusivtitel. Und: Spieler werden die Wahl ihrer Konsole zunehmend von First-Party-Entwicklern abhängig machen. Sony gegen Microsoft, das ist nicht einfach nur eine große Firma gegen eine andere. Es ist Naughty Dog gegen The Coalition, Guerrilla Games gegen 343 Industries, Polyphony Digital gegen Turn 10 Studios, etc…
Wirklich technisch überlegen waren jedenfalls erst viel später PS 2 Spiele...nach dem Ende der Dreamcast....