"Der Bowser ist gemein,
und sackt die Prinzessin ein.
Darauf kommt ein Stern,
den hat der Klempner gern.
Der schwingt sich auf – in die Galaxie,
und tritt dem bösen Wicht vors Knie."
So gehaltvoll wie diese Strophen sind in aller Regel auch die Geschichten, mit denen ein Super Mario-Spiel eingeleitet wird. Und im Grunde ist damit auch inhaltlich schon ein Großteil der Story von Super Mario Galaxy erklärt. Nintendos Wii-Klassiker ist jetzt auch für die Virtual Console der Wii U verfügbar, also bietet sich ein erneuter Blick auf den Übertitel von 2007 an. Ist er gut gealtert oder ernüchtert das Spiel aus heutiger Sicht?
KuschelRock
Wie eingangs angedeutet, hat Prinzessin Peach scheinbar immer noch nichts dazugelernt und lässt sich mal wieder von Fiesling Bowser entführen. Die wie gewohnt wenig tiefgründige Geschichte wird überwiegend kuschelig und märchenhaft präsentiert. An manchen Stellen fühlt sich die Erzählung wie eine kleinkindgerechte Gutenachtgeschichte an, randvoll mit Magie und Sternenstaub. Ob das gefällt oder doch zu kitschig ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wie nicht anders zu erwarten, startet unser aller Lieblingsklempner sofort seine Peach-Rückholkampagne und bekommt von der „Sternenmama“ Rosalina das Sternenkind Luma und die Sternwarte – als Basis und Oberwelt – zur Verfügung gestellt. Von dieser Sternwarte aus macht sich Mario auf die Suche nach den Power-Sternen, die ihm helfen sollen, seiner „kostbaren Person“ Stück für Stück wieder näher zu kommen und dem Oberkoopa Bowser den Popo zu versohlen.
Ein Stern, der deinen Namen trägt
Die Power-Sterne warten am Ende eines jeden Levels auf unseren Helden. Die Welten von Super Mario Galaxy sind Bestandteile von Galaxien, die thematisch sehr abwechslungsreich gestaltet sind. Dabei basieren die verschiedenen Abschnitte innerhalb einer Galaxie jeweils auf derselben Welt, erfordern aber unterschiedliche Routen und Herangehensweisen, um alle Power-Sterne zu erreichen. Die Galaxien findet ihr übrigens in den verschiedenen Kuppeln der Sternwarten-Oberwelt, die nach und nach im Spiel freigeschaltet werden.
Auffällig ist an Super Mario Galaxy natürlich die bis heute sehr einzigartige Gestaltung der teils kunterbunten 3D-Welten: Grundsätzlich läuft Mario hier über die Oberflächen von Planeten in den unterschiedlichsten Größen und Ausgestaltungen. Dabei muss sich der Spieler erst daran gewöhnen, dass er je nach aktuellem Blickwinkel teils auch umdenken und in die andere Richtung steuern muss – vor allem, wenn Mario auf der Rück- oder Unterseite eines Mini-Planeten oder vielleicht sogar im Innern eines solchen herumläuft. Dazu kommen viele interessante Physikspielereien wie z.B. Veränderungen der Gravitationsrichtung.
Komm mit mir ins Abenteuerland
Super Mario Galaxy sprüht nur so vor Kreativität. Dieses Spiel ist wie ein riesengroßer Abenteuerspielplatz, der bis in den letzten Winkel erkundet werden möchte. Dabei haben die Designer derart viel Abwechslung, wahnwitzige Ideen und die erwähnten physikalischen Spielereien eingebracht, dass Super Mario Galaxy das Genre der 3D-Jump & Runs auf eine komplett neue Stufe gehievt hat. Ob die Fahrt auf einem Zug in der „Spielzeugschachtel-Galaxie“, das „Test-Surfen“ auf einem Rochen über einen Wasserrutschenparcours, Schlittschuhlaufen in der „Eisvulkan-Galaxie“ oder Mario als pummelige Biene im „Honigbienenkönigreich“: Dieses Spiel ist wirklich vollgepackt mit grandiosen Momenten, atmosphärischen Welten und spielerischer Raffinesse. Natürlich darf Nintendos Maskottchen wieder auf diverse Items zurückgreifen: Neben der putzigen Biene kann er sich jetzt sogar in eine Sprungfeder, einen Buu Huu-Geist und in Eis-Mario verwandeln. An einigen Stellen im Spiel darf er auch fliegen, außerdem sind wieder die bekannte Feuerblume und temporäre Unbesiegbarkeit im Programm. Eine lobende Erwähnung hat übrigens die Gestaltung der Endbosse verdient: Begegnet man in New Super Mario Bros. fast nur noch den Koopalingen, sind die großen Gegner in Super Mario Galaxy sowohl von der optischen Gestaltung als auch von den Bewegungsmustern her angenehm spannend und abwechslungsreich.
Under Control
Gesteuert wird das Spiel ausschließlich per Wii–Remote und Nunchuk. Diese beiden Eingabegeräte bilden bei Super Mario Galaxy eine äußerst harmonische Einheit, sodass die Steuerung nach der erforderlichen Eingewöhnung wunderbar flutscht. Mario springt einfach, doppelt, dreifach, per Rückwärtssalto, an Wänden und auch weit. Außerdem kann er kriechen, seinen Gegnern wie gewohnt normal oder per Stampfattacke auf die Mütze springen und ihnen mit elegant geschwungener Wiimote einen gehörigen Drehpunch verpassen. Gegner hinterlassen je nach Art der Behandlung entweder eine goldene Münze oder Sternenstaub. Durch die Münzen erhält Mario bei Bedarf einen Lebensenergiepunkt zurück, der Sternenstaub beschert ihm bei 50 dieser eingesammelten Teilchen ein Extraleben. Außerdem möchten an verschiedenen Stellen im Spielverlauf hungrige Sternchen – die Gourmet-Lumas – einen ordentlichen Vorrat der gesammelten Teilchen verschlingen, um weitere kleine Galaxien freizuschalten. Der Sternenstaub ist auch recht großzügig überall im Spiel verteilt und kann praktischerweise per Wiimote-Pointer eingesammelt werden. Die Kamera fängt das Geschehen überwiegend passend ein, manchmal aber muss manuell nachkorrigiert werden – in Anbetracht des unkonventionellen Leveldesigns insgesamt eine gute Leistung der Programmierer.
Hübsches Ding
Logisch, dass sich ein Wii-Spiel optisch nicht mit aktuelleren Titeln messen kann. Dennoch ist Super Mario Galaxy immer noch nett anzusehen. An einigen Stellen überrascht das Spiel sogar mit sehr plastischen Darstellungen z.B. beim Wasser oder auch beim kuschelig-flauschigen Fell der Bienenkönigin. Unter Berücksichtigung der betagten Wii-Hardware haben die Entwickler ein wirklich hübsches Spiel gezaubert. Was die künstlerische Seite angeht, ist der Titel so oder so ein Meilenstein. Es gibt unglaublich viel Abwechslung, die Welten wurden mit reichlich Fantasie, Kreativität und Liebe zum Detail gestaltet.
The Sound of Music
Auch bei der Musik hat Nintendo schwere Geschütze aufgefahren: Im Jump & Run-Genre nicht gerade üblich, wurden die meisten Stücke für das Spiel von einem Orchester eingespielt. Was für den einen oder anderen möglicherweise etwas seltsam anmutet, erweist sich als absoluter Volltreffer. Der facettenreiche Soundtrack harmoniert eindrucksvoll mit dem Weltraum- und Galaxiethema und unterstützt die zuckersüße Sternenstaub-Gutenachtgeschichtenatmosphäre hervorra-gend.
Und sonst?
Super Mario Galaxy ist in erster Linie eine reinrassige Einzelspielererfahrung. Dennoch bietet der Titel eurem Kumpel oder der Freundin die Möglichkeit, mit Hilfe einer zweiten Wii Remote unterstützend einzugreifen oder auch einfach nur spaßig rumzu-wurschteln. Das ist natürlich kein vollwertiger Mehrspielerpart, aber immerhin eine nette Dreingabe, die den sonst passiven Couch-Nachbarn nicht nur zuschauen lässt, sondern ihn auch ein wenig in das Spiel mit einbezieht. Nette Idee!
Aber gibt es eigentlich auch negative Seiten? Im Grunde ist Super Mario Galaxy das perfekte 3D-Jump & Run, allerdings kann man auch hier ein paar vereinzelte Haare in der Suppe finden, wenn man denn unbedingt danach suchen möchte: Einige Spieler berichten über arge Orientierungs-probleme und teils auch von Motion- bzw. Gaming Sickness. Das ist – kurz gesagt – eine Störung des Gleichgewichtssinns durch die ungewohnten Bewegungsmuster. Diese Problematik, bei der Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit auftreten können, lässt sich weder komplett wegdiskutieren noch in irgendeiner Weise objektiv erfassen. Somit macht auch ein entsprechender Abzug in der Endnote wenig Sinn. Das Thema sollte hier aber zumindest eine kurze Erwähnung finden. (Es wird uns in der nahen Zukunft im Rahmen der Markteinführung von Virtual Reality-Brillen wohl auch noch häufiger begegnen.) Manch ein Spieler wird das ständige Herumlaufen auf der Sternwarte irgendwann im Verlauf des Spiels als lästig empfinden. Im zweiten Teil von Super Mario Galaxy wurde die Oberweltstruktur daher konsequent entschlackt. Außerdem nerven die etwas zähen Freischaltorgien für die sogenannten „Schabernack-Kometen“. Hier können einige Levels als besondere Herausforderung nochmals unter Zeitdruck, mit nur einem Lebensenergiepunkt oder weiteren Gemeinheiten gespielt werden. Diese Schabernack-Kometen werden gegen Bezahlung mit Sternenstaub zufällig neu angeordnet, dies ließe sich aber eleganter und zielführender lösen. Insgesamt sind die genannten Kritikpunkte aber doch nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein und es lohnt sich aufgrund der absoluten Sonderklasse dieses Spiels, sich durch anfängliche Orientierungsschwierigkeiten durchzubeißen.
FAZIT:
Super Mario Galaxy ist ein Meilenstein der Videospielgeschichte. Selten hat mich ein Videospiel aufgrund der von vorn bis hinten geradezu hemmungslosen Kreativität derart beeindruckt. Und auch viele Jahre nach dem ersten Release hat das Planetenhopping wenig von seiner Faszination eingebüßt. Im Kontext aktueller Spiele kann die Grafik natürlich nicht mehr beeindrucken, dennoch sieht das Spiel noch immer hübsch aus und ist insgesamt überraschend gut gealtert. Leveldesign und Bewegungswirrwarr könnten bei sehr empfindlichen Gemütern zu Orientierungsproblemen oder gar Schwindelgefühlen führen. Jeder, der damit keine Probleme hat und sich auch nicht vor 3D-Jump & Runs und kunterbunten Nintendospielen fürchtet, sollte diesen fantastischen Vorzeigetitel einmal genossen haben. Und alle Fans von guten Hüpfspielen kennen den Titel wohl ohnehin schon, dürfen sich aber gern erneut auf eine Reise durch die Galaxie begeben.