Hands-On: Nintendo Labo
Bauen, Spielen, Entdecken. Mit großer Überzeugung spricht Nintendo von den drei Pfeilern, die Nintendo Labo großartig machen sollen. Erklärungsbedarf an dem Konzept besteht definitiv, kein Trailer sorgte für so viel Überraschung und Irritation gleichermaßen wie der Veröffentlichungstrailer der glorifizierten Pappkartons. Nintendo erwähnte schon früh, dass sich diese Produktreihe insbesonders an die jüngeren von uns richtet, aber natürlich macht jeder neugierig die Lauscher auf, ob nicht bei Nintendo Labo auch etwas für sie etwas interessantes dabei ist. Auf einem Presse-Event von Nintendo konnten wir selbst mal tüchtig mit Labo rumbasteln und unsere Eindrücke wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Wie stabil sind denn die drei Pfeiler von Nintendo Labo?
Bauen.
Allerlei Utensilien fürs Basteln und Bauen liegen auf dem Tisch, die Fläche selbst ist dennoch sauber und aufgeräumt. Das sollte schon bald nicht mehr so sein und das gemeinsame Basteln mit Nintendo Labo erinnerte an einem Nachmittag im Kindergarten. Und das ist großartig. Das Bauen mit Nintendo Labo förderte definitiv ein angeregtes Miteinander und gemeinsam wurde eine gewisse Neugierde erlebt. Die Switch wird in naher Umgebung aufgestellt und dient als digitale Anleitung - als diese lässt sie wirklich keine Fragen offen. Jeder Knick wird erklärt und man kann sich ohne Probleme Stück für Stück durch den Bauprozess durchhangeln, auch jüngere Bastelbegeisterte sollten hier kein Problem haben. Und auch wenn man den Bastelprozess des Kleinen begleitet, so kann die Anleitung prima helfen, autonomes Lernen und Lösen von Problemen zu fördern. Aber Bauen hört nicht da auf, wo die Anleitung aufhört, denn Labo selbst bietet nur die Grundlage für angeregte Erfindungen. Der Mehrwert erschließt sich nur für diejenigen, die mit Fantasie einen Schritt weitergehen. Das Dekorieren und Schmücken der Labo-Kreationen machten die Pappspielzeuge erst wirklich individuell und besonders. Das Labo RC-Auto ist für sich selbst recht simpel, aber mit nur ein paar weiteren Pappstücken und Farben kann daraus etwas sehr Persönliches gezaubert werden. Der alleinstehende Gamer im jungen Erwachsenenalter wird nun den Kopf schütteln und sich fragen, was denn dabei für ihn selbst interessant sein könnte, wenn die kindische Fantasie nicht Teil der eigenen Persönlichkeit ist. Nun: nichts. Ein Labo RC-Auto ist innerhalb von etwa 15 Minuten erbaut, alle Steuerungsmöglichkeiten nach weiteren fünf Minuten erschöpft. Ein teurer Spaß also für einen Staubfänger, der das Regal auch noch vollstopft. Und das gilt auch für jede andere Konstruktion aus den Nintendo-Labo-Kits.
Spielen.
Ob nun für Klein oder Groß, die Spiele sind allesamt relativ belanglos und kurzlebig. Ob nun Angeln, Motorrad oder Piano, alle Minispiele erinnern mehr an Prototypen und Ansätze, aber bieten keinen Spaß für längere Zeit. Für die kleinsten Gamer unter uns sind diese Spiele recht gut geeignet, da sie simpel sind und die Wiederholung von grundlegenden Prozessen kein Hindernis ist, um Spaß zu haben. Nichtsdestotrotz sind die Spiele erstmal recht banal und bieten keinen dauerhaften Mehrwert für einen angeregten Spieler. Eine gewisse Faszination macht sich dennoch breit, wenn man erfährt, wie die Pappspielzeuge mit der Software interagieren. Ausgeprägte haptische Controllereinheiten machen die Spielerfahrung zu etwas sehr Greifbarem und können definitiv begeistern, wenn man sonst nur die Abstraktion von normalen Game-Controllern gewohnt ist. So richtig neu ist das aber auch nicht, denn ob nun Pappe oder Plastik, haptische und körperliche Spielerfahrungen wurden bereits mit der Wii zur Genüge ausgekundschaftet und werden niemanden mehr vom Hocker hauen.
Es ist schon eine gewisse Ironie dass der Videospiel-Anteil vielleicht das Belangloseste der Labo-Serie ist. Wer 15 Minuten still für sich seine Labo-Konstruktion gebaut hat, der wird hier nun noch seine zehn Minuten Spielen anschließen und danach Labo gelangweilt zur Seite packen. Aber auch für die Kinder werden die Spiele auf Dauer keinen großen Mehrwert bieten, wenn sie theoretisch auch einfach Mario Kart in die Switch stecken könnten. Auch ist fragwürdig, wie lange die erste Labo-Kreation hält. Beim Motorrad-Spiel neigt, dreht und biegt man die Pappkonstruktion mit dem Gewicht des eigenen Körpers. Ein-, zweimal hastig zwischen den Kindern herumgereicht oder mal drum gestritten und einziges Pappteil kann schon falsch geknickt sein, sodass die Steuerung des Spiels auf einmal hakt. Und es ist nicht immer leicht zu erkennen, warum. Das klingt zwar hart, aber die Kreationen sind instabiler und weniger anregungsvoll als eine gute Menge Shovelware auf der Wii. Nun noch ein paar Fragezeichen: Wir haben gebaut und gespielt, was soll man jetzt noch groß entdecken? Was ist dieser dritte Pfeiler und wie signifikant kann das jetzt noch sein? Es mag vielleicht überraschen, aber Entdecken ist womöglich der größte und interessante Aspekt an Nintendo Labo und macht es zu etwas wirklich Besonderem.
Entdecken.
Nintendo Labo bietet ein Potenzial, was sich den meisten Spielern womöglich gar nicht erst erschließt. Alle Nintendo-Labo-Kreationen werden über die Joy-Con gesteuert, dabei wird vor allem der Gyro-Sensor für Bewegungssteuerung genutzt, aber auch HD-Vibration und die Infrarotkamera, die an der Unterseite des rechten Joy-Con zu finden ist, sorgen für Feedback. Die korrekte Verwendung der Joy-Con ist in den angebotenen Labo-Kits fest vorgegeben. Auf den ersten Blick ist es erstmal nicht interessant, wie das funktioniert - solange es funktioniert. Aber die Labo-Software beschränkt sich nicht nur aufs Bauen und Spielen, auch ein dritter Teil ist in der Software versteckt. Mit diesem dritten Teil, dem Labo-Workshop, kann man ganz eigene Kreationen erfinden und programmieren. Dabei zeigt sich Nintendo sehr nutzerfreundlich, sodass auch Spieler und Kinder ohne Erfahrung in dem Gebiet ihre erste Logik programmieren können. Das ist auch der Punkt, an dem Nintendo Labo jegliche Grenzen für kreative Freiheit über Bord wirft und eine Unmenge an Möglichkeiten fördert. Im Entdecker-Bereich der Labo-Software kann man lernen, wie jede Labokonstruktion funktioniert und somit auch verstehen, wie die Joy-Con in Verbindung mit Pappe, Seil und reflektierenden Weißstreifen mit der Software interagieren und so die Spiele möglich machen.
Wer hier seine ersten Eindrücke gewinnt, dem wird es relativ schnell gelingen, selbst eine kleine Erfindung zu bauen. Die Joy-Con und der Switch-Screen können hier frei verwendet werden, um simple Anwendungen und haptische Spielkonzepte umzusetzen. Es ist hier beinahe schon garantiert, dass viele clevere Köpfe auf lustige und sensationelle Ideen kommen werden, welche die eigentlichen Konzepte der Labo-Kits bei weitem übertreffen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich jemand einen Labo-Roboter gebaut hat, der das nächste Bierchen aus der Küche holen kann. An dieser Stelle muss Nintendo für seinen Ansatz einfach mal gelobt werden. Der Labo-Workshop erlaubt es selbst jüngeren Spielern, sich systematisch mit Logik und Kreativität auseinanderzusetzen und erste Erfahrungen zu machen. Gerade in Begleitung von Älteren kann hier forschend gelernt werden und ein Sinn für Autonomie und Kompetenz erworben werden, wenn man erste Ideen in die Tat umsetzen kann. Nintendo bietet hier eine breite Grundlage, um sich selbst auszudrücken und holt eine Generation ab, die bereits als Digital Natives aufwachsen und vielleicht hier und da schon weniger Kontakt mit analogen Medien haben. Abseits des pädagogischen Mehrwerts von Nintendo Labo bietet die Switch flexible Steuerungs- und Darstellungseinheiten, um coole Ideen umzusetzen. Selbst in der wissenschaftlichen Forschung könnte so manch ein Prototyp mit Nintendo Labo relativ schnell visualisiert werden. Denn eines darf man nicht vergessen: jede Pappe kann genutzt werden, nicht nur die von Nintendo in den Sets verkaufte.
Fazit:
Nintendo Labo richtet sich, wie Nintendo schon andeutete, besonders an die jüngeren Spieler. Wer nicht von Natur aus gerne bastelt und dabei auch seiner Fantasie freien Lauf lässt, der wird für den doch relativ hohen Einstiegspreis hier kaum etwas rausbekommen. Wer einen Hang zum Erfindungsdrang hat und Lust verspürt, mit Pappe und den Joy-Con die ein oder andere Idee umzusetzen, der wiederum wird mit Labo einen sensationellen und zugänglichen Einstieg finden. Labos Mehrwert liegt darin, Generationen zusammenzubringen, Raum für Kreativität und Anregung zu schaffen und es zu erlauben, dass vielleicht auch diejenigen Kinder abgeholt werden, die sonst mit kreativer Arbeit eher weniger in Kontakt gekommen sind, ihre Nintendo Switch aber sehr lieb haben. Und vielleicht gelingt es Nintendo dank der Popularität und Zugänglichkeit der Plattform, eine grafische und leicht erlernbare Programmiersprache zu verbreiten und somit mehr Potenzial und Raum zu schaffen für frische Entwickler, ob nun klein oder groß.
Nintendo Labo erscheint am 27. April 2018 in Deutschland: