Nintendo Labo - Geniestreich oder Papiermüll?
Worum geht es?
Gestern in den späten Abendstunden hat Nintendo in einem knapp dreiminütigen Trailer eine komplett neue Produktlinie angekündigt. Sie hört auf den Namen Labo und ist ein neuer Weg um mit der Nintendo Switch spielen zu können. In der Labo-Reihe wird es verschiedene Sets geben, die neben einer Software-Karte mit Minispielen für die Nintendo Switch eine Reihe von Bastelutensilien und vorgestanzten Bögen aus Pappe beinhalten.
Mit Hilfe einer interaktiven Anleitung können aus den Pappbögen diverse Apparaturen hergestellt werden, die auf den Namen Toy-Con hören. Jeder Toy-Con verfügt über verschiedene Vorrichtungen um Bestandteile der Switch (Joy-Con oder die Haupteinheit mit Bildschirm) in oder an ihnen zu befestigen. Die Eingaben werden dabei durch die Bewegungs- und Infrarot-Sensoren der Joy-Con erfasst.
Somit vereint Nintendo Labo den Spielspaß mit einer traditionellen Minispiel-Sammlung als Videospiel mit dem kreativen Aspekt beim Basteln. Über Zusatzpakete kann darüber hinaus auch noch dekoriert werden. Das Set für Einsteiger beinhaltet fünf Bastel-Sets und eine Software-Karte mit fünf passenden Minispielen. Die Zielgruppe sind Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, die die einzelnen Sets mit oder ohne ihre Eltern aufbauen können. Für die etwas älteren gibt es einen Roboter-Bausatz mit passendem Spiel, hinter dem sich Shigeru Miyamotos recht experimentelles Konzept „Project Giant Robot“ für die inzwischen tote Wii U versteckt.
Wie waren die Reaktionen der Fans?
Wer am gestrigen Tag wach blieb um den Trailer als einer der ersten sehen zu können, rieb sich hinterher vermutlich die Augen. Was zum Teufel habe ich da gerade gesehen? Denn bei Nintendo Labo verschwimmen die Grenzen zwischen Videospiel und Spielzeug extrem. Und als Nintendo Ende der 70er-Jahre das letzte Mal Spielzeug produzierte (darunter auch Bastelsets aus Pappe), waren die meisten von uns vermutlich noch nicht auf der Welt.
Danach folgten in erster Linie verhaltene Reaktionen. Denn nach Zelda: Breath of the Wild, Super Mario Odyssey und Xenoblade Chronicles 2 kann man die Switch-Anhänger vor allen Dingen als eines bezeichnen: verwöhnt. Klar, dass da bei meinem Kollegen Andreas und vielen anderen Fans die Begeisterungsstürme ausbleiben, wenn Nintendo etwas Neues zeigt, auf dem nicht Metroid oder F-Zero steht. Davon abgesehen zwitscherten die Spatzen es aber schon seit einigen Wochen von den Dächern. In diversen Interviews betone Nintendo-Chef Tatsumi Kimishima, wie wichtig die nächsten zwölf Monate für Nintendos neue Konsole wären und dass es nach den Vielspielern und Early-Adoptern nun notwendig sei, neue Zielgruppen für die Nintendo Switch zu begeistern.
Wer hier also noch auf ein opulent produziertes Videospiel gehofft hatte, der konnte nur enttäuscht werden. Ein Leserkommentar bei Kotaku brachte die andauernde Überraschung vieler Fans dabei gekonnt auf den Punkt: „This is the most Nintendo thing Nintendo has ever done.“ Und in der Tat: hätte man im Vorfeld Wetten abgeschlossen, wäre wohl niemand auch nur ansatzweise auf die Idee gekommen was Nintendo in petto haben würde. Selbst bei uns und in anderen Redaktionen war man durch die Bank weg durchaus überrascht.
Clevere Marktlücke und großes Potential
Die Fans müssen den ersten Schrecken nun also erstmal verdauen. Aber wie sieht es bei der angepeilten Zielgruppe aus, den Kindern? Unsere klare Prognose: Dass sie Nintendo Labo lieben werden, ist eine grobe Untertreibung. Idee und Umsetzung sind atemberaubend, frisch und wirklich neu. Der Enthüllungs-Trailer spielt in der obersten Liga und dürfte ähnlich stürmisch und lange durch das Internet wirbeln wie der Ankündigungs-Trailer zur Nintendo Switch. Egal ob Kind oder nicht. Nintendo Labo triggert das „Will ich haben!“-Gefühl. Oder zumindest den Wunsch es auszuprobieren.
Dabei hat Nintendo schon jetzt die Grundlage für ein sehr cleveres Marketing gelegt, in dem Labo als eigene Produktlinie vermarktet wird. Man ist sich nicht ganz sicher, ob Labo nun ein Zubehör für die Nintendo Switch ist, oder eben genau umgekehrt. Zudem ließ der Trailer bereits erahnen: über das ganze Jahr hinweg darf mit neuen Sets gerechnet werden. Bis zum Weihnachtsgeschäft wird Nintendo ein prall gefülltes Regal an Labo-Sets anbieten können. Der frühe Release der ersten beiden Sets im Frühjahr ist dabei mindestens genau so clever wie der „Soft-Launch“ von Nintendo Switch im März 2017. Nintendo kann über die Sommermonate auf Nachfrage und Feedback eingehen und pünktlich zum umsatzstarken Herbst richtig liefern.
Während das Robo-Set wohl in erster Linie ältere Jungen anspricht, kommen Mädchen und andere Kreativköpfe wohl erst mit den zusätzlich erhältliche Dekorativ-Sets in Fahrt. Nintendo Labo ist dafür gedacht, bemalt, beklebt und personalisiert zu werden. Die angesprochene Zielgruppe ist also nicht nur sehr groß, sondern auch sehr laut und spezifisch, wenn es um das Äußern von Weihnachtswünschen geht. Nintendo Labo hat große Chancen zu einem der heißesten Spielzeuge 2018 zu werden.
Kaum Langzeitspaß und hoher Preis
Labo will man unbedingt ausprobieren. Es fühlt sich neu, frisch und spannend an. Also genau so wie PSVR und andere Virtual-Reality-Headsets. Wir vermuten allerdings: sind die fünf Toy-Cons aus dem Basis-Set erst einmal alle aufgebaut und ausprobiert, wird die Luft schnell raus sein. Also genau so wie bei PSVR und anderen Virtual-Reality-Headsets. Die beigelegte Software mit ihren Minispielen macht nicht den Eindruck besonders komplex und umfangreich zu sein. Denn ein großes Problem hat Nintendo Labo. Es lässt sich zwar konstruieren, jedoch nicht dekonstruieren. Jeder Bausatz ist momentan für genau ein Minispiel konzipiert. Er lässt sich nicht wieder auseinanderbauen und neu kombinieren wie ein LEGO-Set. Auch gibt es keine einheitliche Linie, die Toy-Cons können nicht miteinander zusammenwirken wie etwa unterschiedliche Playmobil-Welten. Jedenfalls noch nicht.
Darüber hinaus sind die Labo-Sets für Nintendo vor allem eines - ein guter Grund, um Minispiele wieder zum Vollpreis zu verkaufen. Denn offiziell verkauft Nintendo dem Spieler mit jedem Labo-Set nur die beigelegte Software-Karte. Die Bastelbögen sind laut eigener Aussagen quasi die „Gratis-Beilage“. Denn online will man die Druckvorlagen für die einzelnen Toy-Con gratis zum Download anbieten, wohl auch um der Kritik an mangelnder Robustheit der Sets aus Pappe entgegenzuwirken. Ein billiges Argument - bedenkt man, dass die meisten wohl keine Stanzmaschine für Pappkarton zu Hause haben.
Diese objektive Kritik fällt sicher ins Gewicht, auch wenn Nintendo dagegen sicher nicht machtlos ist. Die Labo-Software soll trotz der erforderlichen Toy-Con auch im eShop angeboten werden. So ist es denkbar, dass Nintendo bei Nichterfolg der ersten Sets auf ein Free-to-play-Modell umsteigt und die Bastel-Sets einzeln zu kleineren Preisen verkauft. Dann wäre auch die Gratis-Vergabe von kleinen Labo-Sets als Beilage bei Switch-Konsolen oder im Einzelhandel ein brutal verführerischer Köder.
Fazit:
Nintendo hat mit Labo ein Spielkonzept entwickelt, dass vor Kreativität und Innovation nur so strotzt. Der Hype um die Papp-Bastelsätze wird mit dem richtigen Marketing ohne Probleme in der Liga von Wii Sports und Wii Fit spielen. Dennoch gibt es kleinere Schwächen im Konzept, die Nintendo mit künftigen Sets aber sicherlich noch adressieren wird. Darüber hinaus fehlen bislang Labo-Konzepte mit Anspruch und Tiefgang. So ist Nintendos „neue Art zu Spielen“ wohl wirklich nur etwas für die Kleinen. Dafür aber eine ganz große.
Videospieler sind alle potentielle Killer ;-)
Ich persönlich finde LABO überraschend und sehr innovativ, mal abwarten was das Produkt letztendlich bietet.