Dr. Kawashimas diabolisches Gehirn-Jogging
Zu behaupten, dass die Kooperation zwischen Dr. Kawashima und Nintendo die Welt verändert hat, ist nicht übertrieben. Es waren die Brain Age-Spiele (in Deutschland: Dr. Kawashimas Gehirn-Jogging), die den Trend der Selbstoptimierung mitbegründet haben. Das war 2005. Bis heute nutzen Menschen Technologie und Software, Fitnesstracker oder Sport-Apps, um sich zu messen und zu verbessern.
Nintendo bescherten die Kawashima-Spiele ein goldenes Zeitalter: die Touch-Generations-Ära von Wii und Nintendo DS. Sie brachte eine Flut von Casual- und Ratgeber-Software, die sich kaum noch als Spiele bezeichnen ließen; von Gehirn- über Augen bis zum Mimik- und Englisch-Training. Doch diese Ära ist längst vorbei. Zwischen ihr und der Gegenwart liegt eine ganze Konsolengeneration. Und doch wagen Nintendo und Dr. Kawashima einen weiteren Auftritt: mit Dr. Kawashimas Diabolisches Gehirn-Jogging.
Eine Reise in Nintendos Vergangenheit
Dr. Kawashimas Diabolisches Gehirn-Jogging ist nicht nur eine Zeitreise in die Touch-Generations-Ära, sondern auch ins Jahr 2012. Damals ist der Titel nämlich ursprünglich für den Nintendo 3DS erschienen, wurde dann auch für Europa angekündigt. Doch erst jetzt nimmt Nintendo of Europe sich seiner doch noch an und veröffentlicht ihn zum Lebensabend des Handhelds.
Das Spiel, das kein Spiel ist, wirkte schon damals aus der Zeit gefallen; das ist fünf Jahre später nicht besser geworden. Eine Art schrulliger Retro-Charme umspielt die Software von Anfang an. Da begrüßt der ikonische Polygon-Kopf von Dr. Ryuta Kawashima den Spieler, wie man ihn vom Nintendo DS kennt. Doch jetzt spricht er. Deutsch. Langsam und deutlich. Sehr langsam. Tatsächlich sogar so langsam, dass es nervt. Er hält eine Vorlesung über das Gehirn, mit albernen Special Effects und minimalistischen Skizzen.
Dieses Erklären von Spielinhalten, Regeln und Hintergründen wird ein fester Bestandteil des „diabolischen Gehirn-Joggings“ bleiben. Immer wieder erläutert Kawashimas Kopf die simpelsten Spielbestandteile, sodass man sich irgendwann denkt: „Wer so viel Erklärung braucht, ist mit ein bisschen Gehirn-Jogging wahrscheinlich wirklich nicht schlecht bedient.“ Skurril wird es dann, wenn der Nutzer die langen Monologe überspringen oder beschleunigen will. Dann spricht der Gehirnspezialist plötzlich mit Heliumstimme.
Es ist sehr deutlich, an wen sich Dr. Kawashimas diabolisches Gehirn-Jogging richten will: an Menschen in der Mitte ihres Lebens. Im Spiel wird, völlig Nintendo-untypisch, durchgängig und streng gesiezt. Illustrationen und Praxisbeispiele sind auf Menschen ausgerichtet, die im Berufsleben stehen. Kurzum: Nintendo peilt mit dem neuen Kawashima genau die Touch-Generations-Zielgruppe an. Blöd, dass diese Zielgruppe längst auf Smartphones unterwegs ist, wo es Software zum Gehirn-Jogging wie Sand am Meer gibt. Kostenlos, versteht sich.
Und was ist daran jetzt „diabolisch“?
Inhaltlich ist der neue Kawashima genauso aufgebaut wie seine zwei überaus erfolgreichen Vorgänger. Nachdem vor zehn Jahren der präfrontale Kortex und die Stirnlappen trainiert wurden, ist diesmal das „Arbeitsgedächtnis“ dran. Es entscheidet darüber, wie gut wir uns konzentrieren können, sagt Dr. Kawashima.
Und konzentriert zu bleiben, kann in der heutigen Zeit ganz schön schwierig werden. An der Stelle setzt Kawashima sich buchstäblich die Hörner auf und wird zum Teufelchen, der seine Schüler mit zunehmend komplexen Konzentrationsaufgaben triezt. Grundlegend geht es beim „diabolischen Gehirn-Jogging“ darum, das Kurzzeitgedächtnis zu stärken. Da müsst ihr euch beispielsweise zunehmend viele Rechenergebnisse merken, während ihr noch andere ausrechnet. Oder ihr spielt einfaches Memory, merkt euch Wörter oder, wie beim Hütchenspiel, die Verstecke von flinken Mäusen. Fünf Minuten müsst ihr jede Runde durchhalten. Nach jedem Teilergebnis entscheidet der virtuelle Trainer neu, ob ihr noch schwierigere Aufgaben braucht oder es lieber eine Nummer ruhiger angehen solltet. Am Ende wird das Ergebnis protokolliert.
Der Rest der Software könnte Kawashima-Fans bekannt vorkommen: Das „diabolische Zusatztraining“ funktioniert mit klassischen Aufgaben wie „Rechnen 20“ genauso wie eh und je. Die Gehirn-Jogging-Aufgaben mischen sich immer wieder mit extrem simplen und anspruchslosen Minispielen, bei denen fraglich bleibt, wie gut sie das Gehirn wirklich trainieren.
Auch ohnehin ist unter Gehirnforschern übrigens umstritten, wie gut sich Lernerfolge aus der Gehirnjogging-Software ins echte Leben übertragen lassen. Manch einer kritisiert: Wer regelmäßig Dr. Kawashimas diabolisches Gehirn-Jogging absolviert, kann zwar irgendwann tatsächlich die Software besser bedienen. Im echten Leben trete aber keine Verbesserung ein.
FAZIT:
Dr. Kawashimas diabolisches Gehirn-Jogging ist eine Software aus einer anderen Nintendo-Ära – und war schon zu seinem ersten Release vor fünf Jahren völlig aus der Zeit gefallen. Dabei ist der Titel an sich ordentlich und bietet Kawashimas Fans genau das, was sie von ihm kennen: sehr simple und sehr zugängliche Übungen, die intelligent so arrangiert sind, dass sie sich wie seriöses Training anfühlen. Die Software untermalt das Programm mit interessanten Kurz-Vorlesungen der virtuellen Spielfigur, präsentiert sich in seinem behäbigen Tempo und seiner Aufmachung aber sehr Nintendo-untypisch und ist klar auf eine ältere Zielgruppe ausgelegt. Es wäre absurd, dem Programm eine klassische Videospielwertung zu geben. Zumal seine größte Schwäche nicht im Inhalt liegt, sondern darin, dass es fast identische Programme in jedem App Store gibt – kostenlos.
Ever Oasis z.B. hätte ich zwar gern auf Switch gesehen, aber zumindest schaufelt Nintendo jetzt noch diesen ganzen Sub-Excellence-Kram auf den 3DS und bringt auf Switch die vermeintlich größeren Kracher. Sie machen da einen klaren Schnitt, finde ich gut. Die Relikte finden auf 3DS statt, der frische Kram auf Switch.
Genauso wie das wii-fit u damals auch ...
Ein bisschen schreckt mich der Preis jedoch auch ab, bin aber absolut dazu bereit, für Kawashima Geld auszugeben, auch wenn es kostenlose Alternativen gibt. Von denen hab ich schon ein paar auf Smartphones von Kumpels gesehen, aber keines hat mich je so angesprochen wie Kawashima. 30€ ist auf der anderen Seite aber doch ein bisschen arg viel für so ein "Spiel". Meiner Meinung nach wäre ein Preis von 10 - 15 € ein guter Preis, auch wenn sicher viele das immer noch für zu hoch empfinden.
Aber alleine schon wenn ich dran denke, dass ich die ersten Teile heute noch nutze, kann ich mich vielleicht auch dazu motivieren, 30 € dafür auszugeben. Mal schauen.. ^^ Anonsten: ab 20€ bin ich wohl sicher dabei.