Test

DiRT 4

Von Andreas Held am 17.06.2017

Die eierlegende Wollmilchsau

Die Antwort lautet: Nirgendwo. DiRT 4 lässt euch gleich zu Beginn zwischen zwei Physik-Modellen (Gamer und Simulation) wählen - ihr könnt also praktisch selbst entscheiden, ob ihr lieber einen Nachfolger zu DiRT Showdown oder zu DiRT Rally spielen wollt. Auf der schwierigsten Spielstufe und mit ausgeschalteten Fahrhilfen ist es ohne die umfangreichen Möglichkeiten eines Lenkrads fast nicht machbar, die PS-starken Rallywagen auch bei höheren Geschwindigkeiten auf der Strecke zu halten. Wer nur mit einem Gamepad spielt und sich trotzdem etwas fordern will, kommt aber mit eingeschalteten Fahrhilfen ebenfalls auf seine Kosten. Schade ist nur, dass Codemasters das beliebte Physik-Modell aus DiRT Rally noch einmal komplett umgeworfen hat - viele Simulations-Freaks sind von DiRT 4 eher enttäuscht, da sie das Fahrverhalten auf Schotter als weniger gut empfinden.

Klassische Rally-Etappen mit Fahrzeugen aus allen geschichtlichen Epochen stehen klar im Fokus von DiRT 4. Wer etwas Abwechslung sucht, kann sich auch in den Disziplinen Landrush und Rally Cross austoben, wo ihr auf Rundkursen in Buggys, Offroad-Karts, Trucks und Supercars direkt gegen andere Kontrahenten antreten dürft - im Rally Cross-Modus dank vorliegender Lizenz sogar auf Nachbauten originaler Rennstrecken. Der Hillclimb-Modus aus DiRT Rally wurde hingegen wieder gestrichen. Dafür dürft ihr auf einem offenen Gelände in den USA eure Fahrkünste trainieren und mit Tutorial-Videos sowie speziell abgesteckten Rennstrecken neue Techniken erlernen, mit denen ihr in der Praxis wertvolle Zehntelsekunden einsparen könnt.

Spielmodi satt

Einzelspieler lockt DiRT 4 mit einem Karriere-Modus, in dem ihr nach und nach nicht nur einen Fuhrpark, sondern auch ein Firmengelände und einen Mitarbeiterstab aufbauen und Sponsoren-Deals festmachen dürft. Diese angedeuteten RPG-Elemente haben auf den Spielverlauf aber kaum einen Einfluss: Die Prämien der Sponsoren sind im Vergleich zu den üppigen Preisgeldern zu niedrig, um einen echten Unterschied zu machen, und ein Team aus fähigen Mechanikern würde aufgrund des sehr nachsichtigen Schadensmodells nur Däumchen drehen. Immerhin stimmt der Umfang der Karriere: Bis das Endziel - die sogenannte "Triple Crown" - erreicht ist, werdet ihr mindestens 20 bis 30 Stunden lang beschäftigt sein. Darüber hinaus bietet euch DiRT 4 auf dem oben angesprochenen Trainingsgelände eine Sammlung aus 60 Zeitfahr-Herausforderungen an, mit denen sich die Entwickler überraschend viel Mühe gegeben haben. Der Joyride-Modus, hinter dem sich diese Challenges verbergen, ist keinesfalls nur Beiwerk, sondern eher ein richtiges "Spiel im Spiel".

Wer sich mit anderen Spielern messen möchte, kann sich an den Community-Events beteiligen. Hier habt ihr genau einen Versuch, um auf Einzelettapen oder einer bis zu zwölf Etappen umfassenden Rally eine Zeit einzuloggen, die dann auf einem Leaderboard eingetragen wird. Nach Ablauf der Frist erhaltet ihr abhängig von eurer Position ein lukratives Preisgeld - selbst ein Platz unter den besten 50% wird bereits üppig entlohnt. Im neu hinzugekommenen Pro Tour-Modus befahrt ihr hingegen gleichzeitig mit anderen Spielern dieselben Etappen und könnt - abhängig von eurer Position in diesen Rennen - in den Spielklassen auf- oder absteigen. Wer will, kann auch eine Lobby eröffnen und darin mit Fremden oder Freunden ungewertete Rennen austragen.

Zufallsgenerierte Strecken: Fluch oder Segen?

Die große Innovation, mit der DiRT 4 um Käufe wirbt, ist sein Streckengenerator. Im Modus "Your Stage" könnt ihr in einem Optionsmenü die Länge, den Schwierigkeitsgrad, das Wetter und die Tageszeit festlegen, euch dann mit diesen Optionen eine Strecke generieren lassen und diese sogar zu Rallys oder ganzen Meisterschaften zusammenbauen. Auch der Karrieremodus und die Mehrspieler-Modi greifen auf prozedural generierte Strecken zurück, sodass ihr im Prinzip jede Etappe nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommt. Aus spielerischer Sicht sind diese Strecken sogar recht gelungen. Sie enthalten eigentlich alles, was eine gute Rally-Ettape braucht: Haarnadelkurven, Steigungen und Gefälle, Sprünge, enge und gefährliche Abschnitte, dichte Wälder und weitläufige Felder. Gerade die Online-Modi, die Spieler auch langfristig binden wollen, profitieren ungemein davon, mit immer neu generierten Routen aufwarten zu können.

Doch leider sind die Möglichkeiten des Generators sehr eingeschränkt: Innerhalb desselben Landes fühlen sich alle Strecken jeweils ziemlich gleich an. Natürlich macht es einen Unterschied, ob wir in Spanien durch dichte Wälder, über Weinberge oder durch kleine Dörfer rasen - doch diese Elemente wiederholen sich viel zu oft, und die anderen Regionen sind noch deutlich eingeschränkter. Lange Serpentinen, Tunnel, zugefrorene Seen oder Küstenstraßen: Das alles gibt es hier nicht. Da DiRT 4 außerdem über gerade einmal fünf verschiedene Schauplätze (neben Spanien noch Wales, Michigan (USA), Australien und Schweden) verfügt, hat man sehr schnell das Gefühl, das volle Spektrum der zufallsgenerierten Etappen bereits gesehen zu haben.

Immerhin werden die generierten Strecken technisch sauber auf den Bildschirm transportiert. Auffällig ist jedoch, dass sich seit DiRT Rally kaum etwas getan hat - gefühlt ist sogar noch ein grafischer Rückschritt zu beobachten. Trotzdem sind die meisten Etappen und vor allem die sehr gelungenen Licht- und Wettereffekte wirklich schön anzusehen. DiRT 4 bietet euch meist eine stabile Framerate, aber in Schweden und während der Rally-Cross-Rennen, wenn mehrere Fahrzeuge dargestellt werden müssen, ist oft ein deutliches Screen Tearing zu beobachten. Auch sind die Ladezeiten ärgerlich lang.

Fazit:

Codemasters hat mit DiRT 4 eigentlich nicht mal eine Evolution von DiRT Rally abgeliefert, sondern eher "more of the same". Die Offroad-Raserei richtet sich vor allem an Spieler, denen DiRT Rally zu schwierig war. Das Physikmodell und die KI-Gegner kommen mit sehr einfachen Schwierigkeitsgraden daher, und selbst auf den höheren Spielstufen ist DiRT 4 bei weitem nicht so anspruchsvoll wie sein geistiger Vorgänger. Der Streckengenerator ist vor allem in Verbindung mit den regelmäßig neu generierten Online-Wettbewerben wirklich nett, aber die Einstellungsmöglichkeiten sind viel zu eingeschränkt und die erzeugten Strecken viel zu abwechslungsarm, als dass man das Feature als große Innovation feiern könnte. Somit bleibt eine Rally-Simulation, die in allen Bereichen wirklich gut umgesetzt ist, aber das gewisse Etwas einfach vermissen lässt.

Unsere Wertung:
7.5
Andreas Held meint: "DiRT 4 setzt das Rally-Genre sehr gut um, bringt es aber nicht nach vorn."
DiRT 4 erscheint für PC und PlayStation 4 und XBox One. Wir haben die Version für PlayStation 4 getestet.
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2 Kommentare:
McClane)
McClane
Am 18.06.2017 um 13:34
Ich mag die DiRT-Reihe sehr gerne. Überhaupt bin ich ein Codemasters-Fanboy. DiRT Rallye war mir aber tatsächlich zu hart. Den Vierer werde ich mir demnächst auch mal zulegen, vllt aber nicht zum Vollpreis.
Über ein neues Race Driver: GRID würde ich mich extrem freuen. 2008 war das für mich eine Offenbarung, an die die nachfolgenden, leider etwas lieblos gestalteten Teile nicht anknüpfen konnten.
Vader)
Vader
Am 19.06.2017 um 23:49
Na super, also isses doch wieder ein Lulli Arcarderacer, oder ist es durch die einstellung genau so Fordernd wie Dirt Rally? Weil von dem bin ich nämlich seeeeehr verwöhnt ^^
Vyse)
Vyse
Am 20.06.2017 um 08:45
Ich persönlich hatte (mit Gamepad auf Simulation und mit eingeschalteten Fahrhilfen) nicht mehr oder weniger Spaß mit dem Physik-Modell als in DiRT Rally. Aber auf Steam hat es nur um die 60% positive Reviews, weil sich doch sehr viele Sim-Freaks über die Fahrphysik beschweren.
Vader)
Vader
Am 20.06.2017 um 19:10
Also nicht mit Lenkrad gefahren, ok. Ich nutze kein Gamepad, dachte das ihr das mit nem Wheel getestet habt. Dirt Rally ist halt vom Feedback echt gut gemacht.