Test

Snake Pass

Von Lars Peterke am 06.04.2017
Und das Endresultat zeigt eindrucksvoll, dass man prinzipiell nur eine gute Idee braucht, um ein tolles Videospiel zu erschaffen. In unserem Test erklären wir euch, was den Titel aus dem Hause Sumo Digital so interessant macht.

Die Technik als Gamedesign

Sebastian Liese ist Programmierer beim britischen Entwickler Sumo Digital. Das Studio hat im letzten Jahr die Entwicklungsarbeiten an Dead Island 2 übernommen. Sebastian Liese wollte nun vielleicht ein paar Zombies strangulieren. Jedenfalls könnte dies ein Grund sein, wieso er sich mit dem Physikverhalten von Seilen in der Unreal Engine beschäftigte. Die Resultate brachten ihn dann aber auf die spontane Idee, auszutesten, wie es sich anfühlen würde, aus dem Seil einen Spielcharakter zu machen, den man direkt kontrolliert. So war dann auch die Schlange als Hauptfigur geboren und ein erster Prototyp wurde im Rahmen eines firmeninternen Game Jams umgesetzt. Der Rest ist nun Videospiel-Geschichte.

In Snake Pass steuert der Spieler also eine Schlange, mit der es gilt, das Zielportal des aktuellen Levels zu erreichen. Damit sich das Portal öffnet, müssen jedoch vorher drei Embleme eingesammelt werden, die querbeet im Level verstreut sind. Das war's. So unspektakulär dies klingen mag, so clever ist aber die Umsetzung.. Denn Snake Pass verfügt über eine kluge Steuerung, die dem Spieler zu Beginn bockschwer vorkommt. Tatsächlich ist diese aber so akkurat und die Physik-Engine des Spiels so gut programmiert, dass die komplette Spielmotivation und schlussendlich auch der Spielspaß auf diesen technischen Grundlagen aufbaut.

Vorstellen kann man sich die Steuerung kurioserweise wie bei einem Rennspiel. Mit dem linken Stick rotiert man lediglich den Kopf der Schlange. Anschließend beschleunigt man mit ZR, um die Schlange in Bewegung zu setzen. Mit dem A-Knopf lässt sich der Kopf der Schlange anheben, um höher gelegene Gebiete zu erreichen. Mit ZL kann man sich als Äquivalent zur Bremse ein wenig an Objekte klammern. Dabei schafft es Snake Pass ein erstaunlich gutes Spielgefühl zu erzeugen. So ist der Spieler im Normalfall schneckenlangsam und muss den zischenden Hauptcharakter tatsächlich manuell in Schlangenlinien bewegen, um an Geschwindigkeit zu gewinnen oder sich korrekt um Kippschalter rollen, um diese zu aktivieren. Dabei steuert sich das Spiel vom Gefühl her sehr präzise, obwohl in der Nintendo-Switch-Version keine analogen Trigger zum Einsatz kommen.

Der größte Feind bei der Fortbewegung ist das Eigengewicht. Wickelt man sich falsch an einem Bambusgerüst empor, wird einen das freihängende Endstück des Schlangenkörpers schnell in den Abgrund hinunterziehen. Zum Glück begleitet ein kleiner Vogel den Spieler auf Schritt und Tritt durch die Level. Mit einem Druck auf den Y-Knopf greift er das Ende der Schlange und gleicht so einen Teil ihres Eigengewichtes aus. Ein Freifahrtschein ist dies aber noch lange nicht und die meisten Schlängelpartien gestalten sich als sehr anspruchsvoll.

Für Jäger und Sammler

Snake Pass ist objektiv ein sehr kurzes Spiel. Gerade einmal 15 Level gibt es zu entdecken. Diese werden spätestens ab der zweiten Spielwelt aber merklich größer und non-linearer. Teilweise so groß, dass die Framerate manchmal leicht unter der 60er-Marke operiert. In Sachen Spielatmosphäre fühlt man sich in den Leveln tatsächlich ein wenig an die Rare-Welten des N64 erinnert. Zu einem Großteil ist dies auch dem Komponisten David Wise zu verdanken, der das Spiel mit seinen Klängen vertont hat. Das Spiel versprüht einen ungemein coolen Retro-Charme. Leider gibt es aber grafisch und auch spielerisch trotz leicht unterschiedlich gestalteter Welten nur wenig Varianz. In der zweiten Welt kommen tiefe Gewässer und diverse Schalter-Apparaturen hinzu, danach ruht sich das Spiel bis zum Ende aber weitestgehend auf seinen Lorbeeren aus und führt keine großen neuen Mechaniken mehr ein.

Trotzdem können Spieler bei Bedarf aber zahllose Stunden in Snake Pass stecken. Denn ein Level ist erst vollständig komplettiert, wenn neben den drei Emblemen auch alle Orbs und die fünf goldenen Münzen gesammelt wurden. Diese sind entweder sehr clever versteckt oder verlangen dem Spieler eine besonders versierte Kletteraktion ab. Dank der tollen Spielbarkeit triggert hier sofort der Komplettierungs-Drang und man erkundet jede Stelle des Levels.

Ärgerlicherweise kommt einem dabei die Kamera gelegentlich in die Quere. Manchmal war es für uns schwer, einen guten Blick auf die nähere Spielumgebung zu bekommen, damit wir uns besser orientieren oder unseren Spielcharakter gut einfangen konnten. Ein Nachjustieren war dabei nicht immer so möglich, wie wir es uns gewünscht hätten. Trotzdem wollten wir in unserem Test immer erst ein Level vollständig komplettieren, bevor wir zur nächsten Etappe loszogen. Dabei verbrachten wir locker mehr als eine halbe Stunde in den einzelnen Levels und starben dabei auch so manchen Schlangen-Tod.

Wer das Zeitliche segnet, startet beim letzten aktivierten Checkpoint. Praktischerweise lassen sich diese Checkpoints auch mehrmals aktivieren, sodass nach einer besonders schweren Kletterpartie auch mal zwischengespeichert werden kann. So kommt der Frust beim Spieler höchstens dann auf, wenn das Spiel es mit rotierenden Plattformen ein wenig übertreibt. Hier wird es nämlich auch mit viel Feingefühl bei der Steuerung schwierig, da es hier aufgrund der Spielphysik stark auf das richtige Timing ankommt.

Fazit:

Snake Pass fokussiert sich eigentlich nur auf eine einzige Mechanik: das Sammeln von Collectables mit einer anspruchsvollen, physikbasierten Steuerung. Und dabei macht das Spiel seine Sache so gut, dass am Ende ein sehr unterhaltsames und spaßiges Geschicklichkeits-Allerlei herausgekommen ist. Gerade wer alle Level vollständig absolvieren will, hat einige Stunden mit dem Titel zu tun. Rein objektiv ist der Titel bei der Menge an Spielideen, Mechaniken sowie der ansonsten sehr tollen und hochwertigen grafischen Präsentation jedoch recht abwechslungsarm. Bedenkt man, wie viele Ideen und Mechaniken ein Entwickler wie Nintendo in einen 5-Euro-Titel wie BOX BOX BOY! unterbringen kann, kommen natürlich leise Zweifel an dem Preis-Leistungs-Verhältnis auf. Wer aber auf tolle Geschicklichkeits-Titel steht und eher zur Spieler-Kategorie der Completionists gehört, der macht auch trotz stolzen 20 Euro bei Snake Pass nichts falsch. Wir wünschen uns auf jeden Fall schon jetzt eine Fortsetzung, dann aber bitte mit mehr Gameplay-Elementen.

Michael Prammer meint: 
Snake Pass ist genau eines der Spiele, für die Nintendos Switch gemacht wurde. Innovative Spielkonzepte mit ausgeklügelter Mechanik und minimalistischem Aufwand. So etwas möchte ich gemütlich auf der Couch spielen. Dass Snake Pass auch noch auf anderen Systemen erschienen ist, mag nett sein, jedoch würde ich persönlich das Spiel dort kaum beachten. Die Grundmechanik mit der Physik der Schlange ist der Star des Spiels. Dabei ist die Steuerung weder ungenau, noch kompliziert, sondern einfach an die Fähigkeiten des Reptils angepasst. Und so funktioniert Snake Pass einfach nur aus diesem Grund heraus. Die Level sind dabei abwechslungsreich und es gibt genug zu erkunden, um einen Level mehrmals abzuschließen. Der Preis mag üppig erscheinen, jedoch ist man für einen 100%-Durchgang doch gut und gerne fünf bis sieben Stunden beschäftigt. Die Kamera-Probleme an manchen Stellen und die übertriebene Vibration (trotz Patch!) stören mich da deutlich mehr. Wer einen Ausflug außerhalb von Hyrule sucht und bereit ist, 20 Euro für ein kreatives Indie-Spiel zu bezahlen, macht in meinen Augen wenig falsch.

Von uns getestet: Nintendo-Switch-Version

Unsere Wertung:
7.5
Lars Peterke meint: "Snake Pass setzt sein Kernkonzept perfekt um, bei Umfang und Gameplay-Varianz ist aber noch Luft nach oben."
Snake Pass erscheint für PC und PlayStation 4 und Nintendo Switch und XBox One. Wir haben die Version für PlayStation 4 getestet.
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2 Kommentare:
Farbi11)
Farbi11
Am 06.04.2017 um 15:32
Snake Pass und Yooka Laylee könnten in demselben Universum spielen, oder? Ich finde die Idee von Snake Pass auf jeden Fall klasse und freue mich auf den Kauf!
the_Metroid_one)
the_Metroid_one
Am 06.04.2017 um 17:43
Aber das Spiel stammt ja nicht vom selben Studio. Erkenne da keinen großen Zusammenhang.
Farbi11)
Farbi11
Am 06.04.2017 um 19:28
Ich meine bloß wegen der ähnlichen Optik.
the_Metroid_one)
the_Metroid_one
Am 06.04.2017 um 20:03
Insofern vielleicht...
prog4m3r)
prog4m3r
Am 06.04.2017 um 18:55
Hmmm... schade, also sicherlich kein schlechtes Spiel, aber halt auch nicht die Indie-Perle die man sich erhofft hat. Ich werde es wahrscheinlich mal irgendwann günstiger mitnehmen.