Test

Yakuza Zero

Von Andreas Held am 06.02.2017

Ein Spiel, zwei Geschichten

Kiryu ist der Hauptcharakter der ersten Yakuza-Spiele und wird auch zu Beginn von Yakuza Zero ins Rampenlicht gestellt. Die ersten Minuten des Spiels zeigen ihn als Eintreiber für einen Kredithai - kurz nach seinem Zugriff auf einen Schuldner wird dieser tot aufgefunden. In der Folge findet sich Kiryu in einem Machtgerangel zwischen verschiedenen Yakuza-Bossen und einem Immobilienmakler wieder. Während Kiryu auch 1988 schon in Kamurocho unterwegs ist, erzählt das Spiel noch eine zweite Geschichte, die in Sotenbori spielt - einem fiktiven Stadtteil in Osaka, das der echten Innenstadt täuschend ähnlich sieht. Dort übernimmt der Spieler zum ersten Mal in der Serie die Kontrolle über Goro Majima, der in diesem Kapitel seines Lebens eine Hostessen-Bar managen muss. Die sehr spannenden Story-Stränge von Yakuza Zero fügen sich in den Kanon der Hauptserie ein, sind jedoch auch für Neulinge problemlos verständlich.

Die Parallelen zu Shenmue werden sehr schnell offensichtlich. Zwar werdet ihr während des Spiels fast immer von einer Zielmarkierung zum nächsten Story-Kapitel gelenkt, allerdings könnt ihr euch auf dem Weg dorthin beliebig viel Zeit lassen, um die offene Spielwelt zu erkunden und zahlreichen Aktivitäten nachzugehen. Neben den insgesamt einhundert Side Stories, die ähnlich aufwändig erzählt werden wie die oft gelobten Nebenquests in The Witcher 3, könnt ihr im Rahmen unzähliger Minispiele unter anderem in klassischen Glücksspielen euer Glück versuchen, an den komplexen Regelwerken von Shogi oder Mahjong verzweifeln, Freizeitaktivitäten wie Bowling oder Billard nachgehen, zwei verschiedene Musikspiele meistern, einen Rennwagen im Hosentaschenformat aufrüsten oder vollwertige Arcade-Portierungen von Outrun, Super Hang-On, Space Harrier und Fantasy Zone spielen. Der fast schon unverschämte Umfang wird durch eine Checkliste mit über 370 Ingame-Achievements organisiert - wer hier die 100% erreichen will, kann mit Yakuza Zero ähnlich viel Zeit verbringen wie mit einem Elder-Scrolls-Teil.

Knallharter Mafia-Alltag

Seine hohe Altersfreigabe hat sich Segas Open-World-Game redlich verdient. Sowohl in der sehr textlastigen Story als auch in den zahlreichen kämpferischen Auseinandersetzungen geht es extrem hart zur Sache. Neben der vielen Gewalt werden auch Tabakwaren, Alkohol und käufliche Frauen prominent inszeniert, sodass Moralapostel lieber einen großen Bogen um dieses Spiel machen sollten. Die Aktivitäten außerhalb der Story sind sichtlich darum bemüht, einen Ausgleich zum harten Yakuza-Alltag anzubieten: Die meisten Side Stories sind mit viel skurrilem Humor garniert und auch im Rahmen der zahlreichen Minispiele nimmt sich das Spiel nur selten ernst. Die sehr aufwändige Lokalisierung, für die sich Sega fast zwei Jahre lang Zeit gelassen hat, beschränkt sich auf das Nötigste: Lediglich japanische Sprachausgabe und englische Untertitel werden westlichen Spielern angeboten. Eine Synchronisation oder deutsche Texte gibt es nicht.

In seinem Kern ist Yakuza Zero ein Prügelspiel der alten Schule. Kiryu und Majima verfügen über jeweils drei verschiedene Kampfstile, die ähnlich komplex und schwierig zu steuern sind wie ein Charakter in einem konventionellen Beat'em Up. Die meisten Auseinandersetzungen beschränken sich auf einzelne Schlägereien mit Gruppen aus drei bis fünf Gegnern, die euch auch in den Open-World-Sequenzen ständig überfallen. In seltenen Fällen dürft ihr euch auch mal durch ein längeres Level schlagen - hier wirkt Segas Mafia-Simulation dann wie eine moderne 3D-Variante von Streets of Rage oder Double Dragon.

Aufgrund des Gameplays dürft ihr nicht erwarten, dass ihr wie in einem konventionellen Action-Titel um eure Gegner herumtanzen könntet. Generell ist es sehr schwierig bis unmöglich, eine Auseinandersetzung zu überstehen, ohne dass der Protagonist selbst viele Schläge einstecken muss. Dafür habt ihr allerdings auch sehr viel Lebensenergie zur Verfügung und könnt das Spiel jederzeit pausieren, um ein Heilungs-Item einzuwerfen, was einen Großteil der spielerischen Herausforderung eliminiert. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden kann Yakuza Zero hingegen recht frustig werden, da die Steuerung sehr steif und hölzern wirkt und man somit oft den Eindruck gewinnt, dass man gar keine Möglichkeit hatte, einem gegnerischen Angriff zu entgehen.

Quantität statt Qualität?

Angesichts der Masse an Nebenaufgaben und Minispielen ist natürlich die Frage berechtigt, ob die Qualität der einzelnen Aktivitäten aufgrund des Umfangs zurückstecken musste. Hier profitiert Yakuza Zero hauptsächlich von seiner langen Seriengeschichte: Die Entwickler haben bestimmte Elemente der ersten Spiele immer wieder übernommen und verbessert und das große Portfolio an Spielinhalten zehn Jahre lang auf- und ausgebaut. Mit Ausnahme des sehr halbgar wirkenden Angelmodus sind die vielen Freizeitbeschäftigungen also sowohl spielerisch als auch in ihrer Präsentation überraschend ausgereift. Im Vergleich mit dem acht Jahre alten Yakuza 3 wird schnell deutlich, welche riesigen Schritte das Franchise im Laufe der Jahre gemacht hat - der einstige Nischentitel ist mittlerweile zu einer echten AAA-Produktion herangereift, die mit den westlichen Budgetschleudern des Open-World-Genres nicht nur problemlos mithalten, sondern je nach persönlichem Geschmack sogar die deutlich bessere Spielerfahrung bieten kann.

Im krassen Gegensatz dazu ist die frei begehbare Spielwelt ein regelrechter Mikrokosmos. Kamurocho und Sotenbori sind jeweils nur wenige Häuserblocks groß und können zu Fuß innerhalb weniger Minuten durchquert werden - Fahrzeuge gibt es nicht. Dafür sind die beiden Städte bis zum Zerbersten vollgestopft mit Details - und zwar nicht nur im Hinblick auf die vielen spielerischen Möglichkeiten, sondern auch in ihrer optischen Gestaltung. Wer schon einmal in Osaka Urlaub gemacht hat, wird die Innenstadt im Spiel sofort wiedererkennen, und auch Kiryus Heimatstadt sieht ihrem realen Vorbild (dem Rotlichtbezirk Kabukicho in Tokyo) zum Verwechseln ähnlich. Die vielen optischen Details werden jedoch durch Grafikfehler in Form von Pop-Ups, Framerate-Einbrüchen und Screen Tearing getrübt. Ebenfalls ein Wermutstropfen: Ein echtes 80er-Jahre-Feeling will bei Yakuza Zero irgendwie nicht aufkommen. Es gibt zwar einige nostalgische Anspielungen, die der heutigen Generation skurril erscheinen werden - zum Beispiel die Tatsache, dass Kiryu zu Beginn des Spiels eine Telefonzelle suchen muss, um ein Telefonat zu tätigen. Insgesamt haben sich Tokyo und Osaka, wenn man der Darstellung in Yakuza Zero denn glauben darf, in den letzten 30 Jahren jedoch kaum verändert.

Fazit:

Mit Yakuza Zero serviert uns Sega gleich zum Beginn von 2017 einen der ersten großen Anwärter auf einen Platz in den obligatorischen Jahresendranglisten. Seltsamerweise ist es der Kern des Gameplays, die Kämpfe im Beat'em Up-Stil, der vielleicht seine größte Schwachstelle darstellt: Die gewöhnungsbedürftige und oft störrisch wirkende Steuerung birgt ein hohes Frustpotential, sodass die Versuchung groß ist, den Schwierigkeitsgrad durch das Horten von Heilungs-Items auszukontern. Dass das Gangster-Epos trotzdem überzeugen kann, liegt also in erster Linie daran, dass das ganze Drumherum wirklich zu beeindrucken weiß. Die im Spiel verwobene Kriminalstory ist spannend genug, dass man auch eine erstklassige TV-Serie mit ihr hätte umsetzen können, und einige der in ihr handelnden Figuren werden euch wahrscheinlich sehr ans Herz wachsen. Darüber hinaus präsentiert euch Sega eine gigantische Sammlung grundsolide umgesetzter Nebenaufgaben und Minispiele, die dem Umfang mehrerer Vollpreisspiele entspricht. Das alles ist in Nachbildungen charakteristischer japanischer Stadtviertel untergebracht, die so detailliert sind, dass sie der StreetView-Ansicht von Google Maps praktisch in Nichts nachstehen. Keines der Spielelemente, die euch Yakuza Zero vorsetzt, kann für sich genommen neue Standards definieren; es ist die schiere Masse an Dingen, die ihr in Yakuza Zero sehen und erleben dürft, die es zu einem wirklich lohnenswerten Spielerlebnis machen.

Unsere Wertung:
8.5
Andreas Held meint: "Yakuza Zero ist eine gute Alternative zu einem echten Japan-Urlaub."
Yakuza Zero erscheint für PlayStation 4. Wir haben die Version für PlayStation 4 getestet.
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3 Kommentare:
the_Metroid_one)
the_Metroid_one
Am 06.02.2017 um 21:42
Macht jedenfalls einen sehr guten Eindruck, danke für den Test.
Tobsen)
Tobsen
Am 07.02.2017 um 16:45
"Im Vergleich mit dem acht Jahre alten Yakuza 3 wird schnell deutlich, welche riesigen Schritte das Franchise im Laufe der Jahre gemacht hat - der einstige Nischentitel ist mittlerweile zu einer echten AAA-Produktion herangereift, die mit den westlichen Budgetschleudern des Open-World-Genres nicht nur problemlos mithalten, sondern je nach persönlichem Geschmack sogar die deutlich bessere Spielerfahrung bieten kann."

Yakuza Ishin schlug auch schon in diese Qualitätskerbe. Meiner Meinung nach ist Ishin Zero sogar in einigen Teilen überlegen. Die Minispiele gefielen mir noch besser und das Setting ermöglicht eben Schwertkämpfe - schade, dass Ishin hier nie erscheinen wird...
Auf jeden Fall kann man sich aber nun die Releases von Yakuza Kiwami und Yakuza 6 im Kalender anstreichen. Letzteres hat ja als Ingame-Minispiel die vollwertige Version von Virtua Fighter 5 zu bieten^^.
Belphegor)
Belphegor
Am 07.02.2017 um 18:45
Irgendwie reizt mich das Game. Ist ähnlich wie Project Zero: ich kenne die ganze Reihe noch nicht. Würde es gerne als Einstieg in die Reihe auf der Switch sehen. Und also Japano-Konsole dürfte die Wahrscheinlichkeit doch hoch sein oder?
Tobsen)
Tobsen
Am 07.02.2017 um 19:07
Ich denke, die Wahrscheinlichkeit dürfte sehr gering sein. Sega hatte ja Yakuza 1 + 2 HD auch auf der Wii U gebracht (was natürlich nicht in den Westen kam) und das hat sich desaströs verkauft. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie noch so einen Testballon auf Switch starten werden.
Yakuza 0 und Kiwami (Remake des ersten Teils) könnten zwar in ihrer PS3-Version auf die Switch geportet werden, müssten sich dann aber halt immer den Vergleich mit den PS4-Versionen der jeweiligen Spiele stellen - und den Kürzeren ziehen. Spätestens bei Yakuza 6 wäre aber eh Ende, da das nur noch auf PS4 kommt und die Switch das nicht gebacken bekäme.
Belphegor)
Belphegor
Am 10.02.2017 um 19:48
Na das sind ja wieder super Aussichten. Wenn ich sowas lese dann könnte ich dieser Tage einfach abreiern. Gut nen PS3 Port will an sich auch niemand aber zumindest einen Port dieses aktuellen Titels ist an sich ein Muss für eine neue Plattform.