Fire Emblem Heroes - Nintendos nischige Charakterbibliothek
Fire Emblem und Nintendo, eine merkwürdige Beziehung. Mehr als ein Jahrzehnt lang schaffte es das mittelalterliche Fantasy-Schach nicht aus Japan heraus, dann fristete es ein gesund-solides Nischen-Dasein – bis Fire Emblem Awakening für den Nintendo 3DS erschien und plötzlich zum Überraschungshit mit fast zwei Millionen Verkäufen wurde.
Seitdem pflegt Nintendo die Fire Emblem-Serie zunehmend sorgsam und öffnet sie für eine breitere Zielgruppe. Für den Nintendo 3DS ist mit Fire Emblem Fates noch ein weiterer Teil erschienen, bald kommt zudem der dritte, Fire Emblem Echoes. Darüber hinaus lässt Nintendo ein Crossover mit der Dynasty Warriors-Serie produzieren und werkelt im Geheimen an einem Switch-Exklusivtitel. Nun wird Fire Emblem eine besondere Ehre zuteil: Es ist Nintendos nächstes großes Spiel für Smartphones und darf sich insofern geadelt fühlen, als es sich jetzt im elitären Kreis mit Nintendos Top-Serien Super Mario und Pokémon befindet.
Gotta catch ‘em all
Fire Emblem ist eine komplexe Spielserie für Hardcore-Spielefans, die man eigentlich nicht im Massenmarkt erwarten würde. Das rundenbasierte Taktik- und Strategiespielprinzip mit seinen Rollenspieleinschlägen und den langen Fantasy-Story-Dialogen ist kein Vergnügen für Jedermann, sondern für ganz bestimmte Zielgruppen.
Umso skurriler, dass Nintendo sich ausgerechnet diese Reihe für seine maximal breit angelegte Smartphone-Initiative ausgesucht hat. Die Entwickler von Intelligent Systems haben zur Öffnung der Reihe für Smart-Devices einen wagemutigen Wandel gewagt: Sie präsentieren Fire Emblem Heroes als eine Art Charakterbibliothek mit angeschlossenem Casual-Strategiespiel.
Nintendo ist offenbar der Ansicht, dass einer der Kernreize der Fire Emblem-Reihe in ihren Charakteren liegt, in den zahlreichen Fantasy-Universen, die in nunmehr 14 Spielen herangewachsen sind. Denn es sind die Charaktere, die in Fire Emblem Heroes im Vordergrund stehen: mächtige Muskelprotze, androgyne Helden, devote Magierinnen oder Wyvern-reitende Wuchtbrummen.
Im Rahmen der allenfalls zweckmäßigen Story kann der Spieler immer neue Helden aus den Fire Emblem-Epochen heraufbeschwören und mit ihnen in den Kampf ziehen. Dazu braucht er Sphären. Doch Sphären sind knapp. Ihr bekommt zum Beispiel nach erfolgreich erledigten Story-Kapiteln neue, doch wer Fire Emblem Heroes langfristig spielen und ausreizen möchte, muss von Nintendo neue Sphären kaufen. Das gilt auch für diverse andere Ressourcen im Spiel, mit denen man seine Spielzeit verlängern oder Charaktere aufleveln kann.
Das Ziel des Spiels ist relativ klar, und für Fire Emblem eher untypisch: Schnapp‘ sie dir alle, gotta catch ‘em all. Ausgerechnet das Pokémon-Motto kommt hier zum Tragen. Wie beim frühen Pokémon Trading Card Game kann sich in dieser App derjenige brüsten, der die seltensten Figuren in der Glückslotterie der Beschwörungen gewonnen hat. Jede von ihnen kommt mit mehreren aufwändig produzierten Artworks, einer eigenen Stimme und einigen Personalisierungsoptionen.
Sammelspiel mit angeschlossenem Strategieverschnitt
Ihr Charakter-Sammelkonzept haben die Entwickler um vermeintlich klassische Fire Emblem-Strategieelemente ergänzt. Im Rahmen einer Story könnt ihr wie in den Hauptspielen nacheinander mehrere Kapitel spielen und dabei rundenbasierte Kämpfe bestreiten. Die Story ist reichlich konstruiert. Eine böse Prinzessin will alle Fire Emblem-Universen übernehmen und manipuliert dafür die bekannten Charaktere. So tretet ihr mit euren mühsam gesammelten, mit Sphären erkauften Helden nach und nach in 45 Kapiteln gegen Helden und Schurken aus der Fire Emblem-Reihe an (mitunter kämpfen die erspielten Helden auch gegen sich selbst).
Die Spieltiefe dieser Kämpfe bleibt gering. Jede Map ist smartphonekompatibel nur 6x8 Felder groß, entsprechend tritt man stets nur mit einem vordefinierten Team aus 4 Charakteren an, die sich jeweils nur wenige Felder bewegen können. Taktische Tiefe kommt kaum auf; das sorgfältige Abwägen von Treffer- und Schadenswahrscheinlichkeiten aus den Hauptspielen fehlt; jeder Angriff sitzt automatisch. Durch die geringe Kartengröße und -komplexität besteht selten Spielraum für intelligente Manöver. Und wenn mal ein Charakter besiegt wird, macht das gar nichts, er wird nach dem Kampf einfach wiederbelebt; anders als im klassischen Fire Emblem-Konzept. An dieser Stelle ist Fire Emblem Heroes dann eben doch sehr auf den Massenmarkt ausgerichtet.
Erst auf den höheren Schwierigkeitsgraden, die sich nach dem ersten Erfolg freischalten, wird das Spiel fordernd. Doch das liegt dann hauptsächlich an der Stärke der Gegner, nicht an der strategischen Herausforderung. So bleiben auch die optionalen Challenge- und Duell-Maps eher Beiwerk.
Ein Spiel für den japanischen Markt
Stilistisch ist Fire Emblem Heroes außergewöhnlich; vor allem für westliche Augen. Der Titel ist relativ offensichtlich vor allem für asiatische Märkte entwickelt worden und kommt derzeit auch vor allem in Japan super an. Der niedliche Cartoon-Style in den Kämpfen, die mangahaften Charakter-Artworks und die schrillen Stimmen der Spielfiguren sprechen dafür. Schon die Fire Emblem-Titelmelodie, die ein Japaner mit Akzent in englischer Sprache singt, bereitet auf das japanopoppige Spiel vor, das dann folgt.
Alles, was bislang in diesem Test steht, ist nicht per se schlecht. Fans von japanischem Anime bekommen schöne, hochwertig produzierte Artworks und eine Aufmachung, die ihnen gefallen wird. Spieler, die gerne seichte Strategiespiele mögen, können auf ihre Kosten kommen. Und echte Hardcore-Fire Emblem-Fans freuen sich vielleicht sogar über die Möglichkeit, eine eigene Charaktersammlung anlegen zu können.
Doch das ist alles tief in der Nische vergraben und man fragt sich: Wen soll das eigentlich ansprechen? Selbst Fans der ersten (westlichen) Fire Emblem-Stunden werden nicht alle Charaktere aus der fast 27-jährigen Seriengeschichte wiedererkennen. Völlig unerfahrene werden mit ihnen gar nichts anzufangen wissen. Wie ist Nintendo wohl auf die Idee gekommen, gerade dieses Franchise in gerade dieser Form für den Mobile-Markt aufzubereiten, wo es doch so offensichtlich nur eine eher kleine Zielgruppe anzusprechen scheint? Dass es in einer signifikant großen globalen Spielergruppe eine so starke Zugkraft entwickelt, dass davon die Verkaufszahlen von Nintendo-Konsolen oder -Spielen ansteigen, ist mindestens fraglich.
FAZIT:
Fire Emblem Heroes steckt stilistisch und spielerisch ziemlich tief in der Nische. Die sehr japanisch aufgemachte App präsentiert sich im Wesentlichen als Charakter-Bibliothek. Spieler sollen möglichst viele Fire Emblem-Charaktere aus fast 27 Jahren Seriengeschichte sammeln. Das eigentliche Spiel, das sich an das Strategie-Gameplay der Vorbilder anlehnt, ist hingegen kaum der Rede wert. Zu klein sind die Spielkarten, zu gering der taktische Spielraum, zu flach die Story, um sich langfristig damit zu beschäftigen. So bleibt es schwierig, Fire Emblem Heroes abschließend zu bewerten, gerade mit Blick darauf, dass das Grundspiel ja gar nichts kostet. Als Werbemaßnahme für Nintendo-Konsolen und -Spiele wird es sich erst beweisen müssen. Als reines Mobile-Game ist es zweifelsfrei hochwertig entwickelt und kurzzeitig unterhaltsam, kann allerdings kaum Spieltiefe entwickeln oder langfristig begeistern. Sein Kernargument, das Zelebrieren der Fire Emblem-Figuren und -Universen, ist jedenfalls sein Kernproblem. Denn diese Figuren sind den meisten Spielern im Westen – ganz anders als zum Beispiel die Pokémon aus Pokémon Go oder Super Mario – völlig unbekannt. So wird es mit seinem Gameplay nicht den Fire Emblem-Fans und mit seiner nischigen Franchise-Folklore der breiten Masse nicht gerecht.
Skurril finde ich es dahingehend absolut nicht hier eine erstarkende Marke der breiteren Masse zugänglich machen zu wollen. Die Leute kennen Mario und Pokémon, aber wissen oft nicht was Nintendo ansonsten noch in petto hat, an dieser Stelle macht es doch durchaus Sinn unbekanntere Marken zu bewerben.
Mit Animal Crossing kommt dann demnächst ja auch wieder eine (aktuell noch) größere Marke ;)
Hinzu kommt, dass die Serie hierdurch evtl. auch etwas bekannter wird, da ja Spieler, die bereits Mario/Pokemon gespielt haben und FE noch nicht kennen, so darauf aufmerksam gemacht werden und sich kostenlos einen ersten Eindruck davon machen können.
Weiterhin sehe ich bei Serien wie z.B. Zelda oder Metroid kein so großes F2P-Potential. Und Metroid ist zurzeit wohl noch unbekannter als FE.
Mit der Wertung von 6.5 stimme ich überein, ist eben ein nettes Smartphone-Spiel, mit den richtigen FEs ist man aber wohl bei fast allen Belangen besser aufgehoben.