Test

She's Leaving

Von Jeremiah David am 02.12.2025

"She’s Leaving" hätte vielleicht eher "He’s Coming" heißen sollen. Wieso? Und kann der Survival-Horror-Thriller qualitativ überzeugen? Wir klären auf.

Ein Dalton, der am Tatort bleibt

In She's Leaving schlüpfen wir in die Rolle von Charles Dalton, einem forensischen Experten, der sich auf Blutspritzeranalyse (im Englischen: blood spatter analysis) spezialisiert hat. Wem das bekannt vorkommt, der hat vermutlich die Serie Dexter im Fernsehen gesehen. Letztere nennen die Entwickler von Blue Hat Studio ganz explizit als Inspirationsquelle. Aber auch The Last of Us und Resident Evil 2 sollen als Vorbilder gedient haben. Von The Last of Us ist nicht viel zu spüren, Parallelen zu dem zuletzt genannte Spiel sind dagegen nicht von der Hand zu weisen, dazu aber später mehr. Bleiben wir stattdessen noch kurz bei der Story:

Weil die Polizei Daltons Theorie eines auf freiem Fuß laufenden Serienmörders zurückweist, nimmt Dalton die Sache selbst in die Hand und betritt illegal einen aktiven Tatort, um Beweise zu sammeln. Besagter Tatort ist die Villa Haywood im walisischen Hinterland. Die Villa wird allerdings nicht mehr von der einst wohlhabenden Lady Eleanor bewohnt, sondern dient jetzt als Hotel und Museum, dessen Zimmer mit hölzernen Schaufensterpuppen in historischen Gewändern ausgestattet wurden, um Gästen die Lebensgewohnheiten früherer Zeiten näher zu bringen.

Begleitet wird Dalton bei seinen Ermittlungen von Annabella, die zwar nicht körperlich anwesend ist, ihm aber über Funk Gesellschaft leistet. Im Klartext heißt das, das sie sich über Daltons Walkie-Talkie immer wieder mit Kommentaren einklinkt. Die Dialoge sind inhaltlich in Ordnung und zum Ende des Spiel wartet She's Leaving mit einer (eher vorhersehbaren) Wendung auf, ansonsten ist die seichte Story jedoch voll von Logikfehlern und damit mehr Mittel zum Zweck.

"It’s spatter, not splatter!"

Das Gameplay von She’s Leaving besteht einerseits aus Detektivarbeit und andererseits aus Flüchten. Bei seiner Detektivarbeit nutzt Dalton eine Elektroschockpistole mit integrierter UV-Lampe, die Blutspuren im Haus sichtbar macht. Findet Dalton Blutspuren, dürfen wir als Spieler diese analysieren. Die Entwickler schreiben: "Basierend auf den realen Praktiken forensischer Analysten haben wir Mechaniken entwickelt, die es dem Spieler ermöglichen, die Wahrheit hinter den Beweisen zu verstehen und zu entschlüsseln, die er findet." Das klingt cool, in der Praxis werden uns aber einfach nur drei verschiedene Auswahlmöglichkeiten eingeblendet. Früh im Spiel entdeckt Dalton beispielsweise einen blutigen Handabdruck an einer Wand und wir müssen uns entscheiden: Ist das Blut an die Wand gespritzt, handelt es sich um ein Fließmuster oder hatte da jemand direkten Kontakt mit der Tapete? Komplexer wird die Detektivarbeit selten, und auch andere Aufgaben strotzen nicht gerade vor Kreativität. So müssen wir lediglich Schlüssel und Sicherungen suchen, um Türen zu öffnen, oder Zahnräder finden, um einen Aufzug in Gang zu setzen.

Wenn wir als Dalton falsche Entscheidungen treffen, leidet sein Geisteszustand unter den Fehlschlägen. Dalton wird dann depressiv und schlürft nur noch lethargisch durch die Korridore und Zimmer von Haywood. Das ist fatal, denn Dalton ist nicht allein im Haus. Ein Serienmörder mit einer Totenmaske bewegt sich wie Mr. X in Resident Evil 2 als unsterbliches Monster durch das Anwesen und würde Dalton nur allzu gerne ins Jenseits befördern. Berühren wir den Kerl auch nur flüchtig, heißt es sofort "You Are Dead". Die einzige Möglichkeit, sich gegen den Stalker zu wehren, besteht darin, ihn mit dem Elektroschocker brutzeln zu lassen. Dadurch gewinnen wir wenige Sekunden, um uns aus dem Staub zu machen und in einem grün markierten Safe-Room zu verstecken. Wieso Dalton keine Verstärkung ruft, und wieso er weiter nach Beweisen für einen Mörder sucht, der sich ihm mehr als nur aufdrängt? Das weiß wohl nur er allein.

Zum Glück ist der durchgeknallte Mr. X-Verschnitt nicht in der Lage, seine Klappe zu halten. Er brabbelt regelmäßig in irgendeiner fremden Sprache vor sich hin. Hören wir seine Stimme, wissen wir, dass er in der Nähe ist und wir uns einen anderen Bereich zum Erkunden suchen sollten. Leider funktioniert diese Spielmechanik aber nicht wirklich gut, denn die Stimme dringt aus dem Lautsprecher des Controllers und kann dadurch keiner speziellen Richtung zugeordnet werden. Es gibt außerdem keine Verstecke für Dalton, und manchmal ortet der Stalker unseren Forensiker selbst durch geschlossene Türen hindurch. Auch die Tatsache, dass die einzelnen Gebiete des Herrenhauses eher klein sind, ist nicht hilfreich. Während unserem Test kam es gleich mehrere Male vor, dass wir eine Türe öffneten, nur um dann sofort mit einem schwarzen Bildschirm und dem Schriftzug "You Are Dead" begrüßt zu werden. So etwas nervt.

She’s Leaving wird als Survival-Horror-Thriller vermarktet, ist letztlich aber mehr ein Suchspiel mit seichter Story, bei dem wir dem Stalker als unüberwindbarem Hindernis ständig aus dem Weg gehen müssen, während wir nach Blutspuren Ausschau halten und Schlüssel aufsammeln, um neue Räume zu öffnen. Also wie Resident Evil 2, nur ohne Schusswaffen, vernünftige Rätsel, freundliche NPCs und sterbliche Gegner.

Technisch solide, aber ohne Lokalisierung

Während She's Leaving spielerisch eher mau ist, zeigt sich das Spiel von technischer Seite immerhin ordentlich. Bevor Dalton Haywood betreten darf, muss er sich erst in der menschenleeren Nachbarschaft umsehen. Die erinnert optisch an PS3- bzw. Xbox-360-Zeiten. Das Herrenhaus ist allerdings deutlich hübscher gestaltet und überzeugt mit detailliert ausgearbeiteten und grundsätzlich ziemlich atmosphärischen Räumen, ohne dabei jemals die Qualität großer AAA-Titel zu erreichen.

Ruckler traten während unserem Test nur vereinzelt auf und störten den Spielfluss nicht. Auch Spielabstürze oder gröbere Bugs kamen nicht vor. Auf der PlayStation 5 wurden wir allerdings stellenweise mit überraschend langen Ladezeiten konfrontiert. Ein KO-Kriterium bei der Präsentation könnte für manche Spieler außerdem die Tatsache sein, dass She’s Leaving keinerlei Lokalisierung erfahren hat. Das heißt, dass Spieler entweder des Englischen oder des Japanischen mächtig sein sollten. Nicht einmal deutsche Untertitel sind vorhanden. Immerhin machen die englischen Synchronsprecher einen mehr als soliden Job.

FAZIT

She's Leaving ist technisch solide, spielerisch aber bestenfalls mittelmäßig. Auch mit einer spannenden Story kann das Spiel nicht punkten. Großspurigen Vergleichen mit Dexter oder Resident Evil 2 wird es nicht annähernd gerecht. Tatsächlich erinnert She's Leaving stellenweise mehr an Pac-Man. Wir rennen durch ein kleines Labyrinth verwinkelter Korridore, um Blutspuren zu suchen und Schlüssel zu sammeln. Dabei müssen wir einem verrückten Killer aus dem Weg gehen. Wer daran Interesse hat, muss für das drei bis vier Stunden lange Spiel immerhin nicht tief in die Tasche greifen.

Unsere Wertung:
5.5
Jeremiah David meint: "She's Leaving bietet eine seichte Story, ebenso seichte Rätsel und nerviges Gameplay. Immerhin ist das Herrenhaus atmosphärisch gestaltet und die Technik solide."
She's Leaving von Blue Hat Studio erscheint am 09.12.2025 für PC und PlayStation 5 und Xbox Series. Wir haben die Version für PlayStation 5 getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von Perp Games zur Verfügung gestellt.
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