
Wildgate
Es ist mittlerweile knapp sieben Jahre her, seit sich ein Teil von Blizzards kreativer Führungsriege verabschiedete, um sich fortan anderen Projekten zu widmen. Ob die Abschiede im Zusammenhang mit der Art wie Activision unter der Leitung von Bobby Kotick die Dinge regelte standen oder es für die Mitarbeiter, die Blizzard zum Teil mitgegründet hatten, einfach Zeit war weiterzuziehen, ist nicht endgültig geklärt. Viel interessanter ist aber, was aus den Mitarbeitern im Laufe der Jahre geworden ist. Denn während Chris Metzen 2022 wieder ins Nest zurückkehrte, gründeten Mike Morhaime und einige seiner ehemaligen Kollegen 2020 die Spielefirma Dreamhaven und diverse neue Studios, die parallel an verschiedenen Spielideen arbeiten. Eines dieser Studios, das den Namen Moonshot Games trägt, hat jüngst mit Wildgate sein erstes Werk auf dem PC, der PS5 und der Xbox Series veröffentlicht. Was es mit dem Titel auf sich hat und ob er in die teils übergroßen Fußstapfen passt, die die früheren Werke der Entwickler hinterlassen haben, lest ihr hier.
Irgendwo, in einer weit, weit entfernten Galaxie…
Anders als viele der Spiele, die unter der Flagge Blizzards entwickelt wurden, hält sich Wildgate nicht mit einer großen Handlung auf und wirft euch nahezu umstandlos ins Geschehen: In einer gefährliche Ecke der Galaxie warten alle möglichen Schätze und Gefahren auf mutige Abenteurer, die nach ihnen suchen wollen und damit auch auf euch. Eure Aufgabe ist es, zwischen all den Schätzen und Gefahren, das legendäre Artefakt zu finden, das euch und eurer Crew zu Wohlstand und Reichtum verhilft und mit diesem durch das namensgebende Wildgate zu entkommen. Viel mehr Handlung, abgesehen von den Hintergrundinfos zu den einzelnen spielbaren Charakteren, liefert euch das Spiel nicht und wird grundsätzlich auch gar nicht benötigt, um den Rahmen für das Spiel zu bilden. Dennoch bleibt ein gewisser “hohler” Eindruck zurück, dass der Titel mehr hätte tun können, um seine Spieler an die Spielwelt und ihre Charaktere zu binden. Das mag nicht ganz fair sein, da Moonshot Games nicht über die Mittel verfügt, um CGI Sequenzen auf dem Niveau des alten Arbeitgebers zu schaffen. Aber wenn man mit den großen Namen in der Vita wirbt, muss man sich mitunter auch wertenden Vergleichen stellen.
Gemeinsam gegen den Rest des Weltraums
Wie die Handlung ist auch das grundsätzliche Spielprinzip von Wildgate schnell erklärt: Fünf Teams, die jeweils aus vier Spielern bestehen, fliegen in ihren Raumschiffen durch eine riesige prozedural generierte Weltraum-Arena und suchen in von NPCs besetzten Raumstationen nach Ressourcen, neuer Ausrüstung und dem legendären Artefakt. Das Team, das mit dem Artefakt im Gepäck durch das Wildgate entkommt oder als letztes überlebt, gewinnt die Runde und damit die meiste Erfahrung für seine Teammitglieder. Die zweite Möglichkeit, eine Runde zu gewinnen, macht die eigentliche Schwierigkeit des Spiels deutlich, denn Teams können sich zu jeder Zeit gegenseitig überfallen und die Schiffe der gegnerischen Teams plündern oder zerstören, wodurch sich das Spielprinzip von Wildgate am besten mit einer Mischung aus Rares “Sea of Thieves” und Crytecs “Hunt Showdown” vergleichen lässt. Ähnlich wie in den genannten Titeln steuert ihr euren Charakter auch in Wildgate aus der Egoperspektive. Um das ganze noch ein wenig bunter und damit auch unterhaltsamer zu machen, könnt ihr vor jeder Runde aus einer Reihe von gänzlich unterschiedlichen Helden wählen, die alle unterschiedliche Stärken haben. So können einige Charaktere das eigene Schiff besser beschützen oder reparieren, während andere durch ihre Charaktertalente dazu prädestiniert sind, die Schiffe der Gegner zu entern und auf diesen Unheil anzurichten. Zusätzlich könnt ihr die Charaktere auch noch mit unterschiedlicher Ausrüstung versehen und euren Spielstil damit noch weiter definieren und an eure Vorlieben anpassen.
Nur zusammen seid ihr stark
Wie in teambasierten Spielen üblich ergibt es Sinn sich mit den anderen Spielern abzusprechen, damit jedes Mitglied der Mannschaft eine feste, zum Charakter passende Rolle übernimmt, obwohl grundsätzlich jeder Charakter jede Rolle auf einem Schiff übernehmen kann. Die Schiffe sind auch entsprechend ausgerüstet, damit ihr im Verlauf der 20 bis 30 Minuten, die die Runden im Durchschnitt dauern, immer etwas zu tun habt: Während ein Spieler das Schiff steuert, können die anderen Mitspieler per Sonde(n) die Umgebung erkunden, die Bordkanonen besetzen, im Weltraum Ressourcen abbauen oder Raumstationen und gegnerische Schiffe entern. Ressourcen benötigt ihr, um eure Bordkanonen nutzen oder um das Schiff beschleunigen und reparieren zu können. Die in Raumstationen gefundene Ausrüstung verbessert im Gegenzug euer Schiff und seine Bewaffnung, wodurch ihr in Duellen länger bestehen könnt. Oft haben der Stand der gesammelten Ausrüstung und die verfügbaren Vorräte genauso viel Einfluss auf Sieg und Niederlage in einem Duell mit anderen Raumschiffen wie die Fähigkeiten eures Teams. Überhaupt hängen eure Chancen in Wildgate sehr stark davon ab, wie gut und koordiniert euer Team zusammenarbeitet. Denn während eure Charaktere beliebig oft respawnen können, bedeutet ein zerstörtes Raumschiff das Ende eures Team in dieser Runde, sodass Alleingänge und unkoordinierte Entscheidungen schnell zu einer Niederlage führen können. Das Spiel bietet euch mit einem verbauten (Voice-)Chat und smarten Pings alle möglichen Wege, um euch euren Mitspielern mitzuteilen. Dennoch findet sich hier eines der üblichen Probleme des Genres, für das auch Wildgate keine Patentlösung bieten kann: Runden mit zufälligen Mitspielern enden immer mal wieder im Chaos, während befreundete Spieler in festen Teams oft einen Vorteil haben, wenn sie sich absprechen und einander vertrauen. Wer auf den Kampf gegen echte Menschen keine Lust hat oder trainieren möchte, kann Wildgate auch im PvE Modus gegen K.I.-Gegner spielen, sodass der PvP-Aspekt außen vor bleibt. Spannung und Herausforderungen sinken in diesem Fall aber spürbar, sodass der PvP-Modus der empfohlene Modus des Spiels ist.
Auch bei der Gestaltung der Arenen ergeben sich einige subjektive Probleme: Moonshot hat diese zwar grundsätzlich mit vielen sehr schön gestalteten Basen und Effekten ausgestattet, die vor jeder Partie prozedural neu angeordnet werden, sodass die Arenen immer unterschiedlich aussehen. Da die Elemente aber immer vor dem optisch wenig variablen Hintergrund des Weltalls verteilt werden, entsteht stellenweise der Eindruck, dass sich Gebiete wiederholen. Moonshot arbeitet bereits an neuen Modi und Effekten, damit sich die Arenen und Matches nicht repetitiv anfühlen. Weitere Features wie Leaderboards und Seasons sollen den Titel letztlich auch für eine breitere Spielerschaft interessant machen. Ein zumindest im Moment dringend nötiger Schritt, da es aktuell trotz Crossplay-Funktionalität hin und wieder ein paar Minuten dauern kann, bis ein Match für euch gefunden wird, was sich mit größeren Spielerzahlen bessern sollte.
Mal koordiniert, mal chaotisch aber fast immer spaßig
Obwohl Wildgate an einigen Ecken noch Verbesserungsbedarf hat, merkt man dem Titel schnell an, dass sich seine Entwickler mit Multiplayer-Titeln auskennen und auch verstanden haben, was die Gefechte in Spielen wie Sea of Thieves so unterhaltsam machen. Schnell mal mitten im Gefecht von Bord zu springen, um sich unbemerkt auf das feindliche Schiff zu schleichen und dort Chaos anzurichten, funktioniert in Rares Piraten-Abenteuer schon ziemlich gut und wird in Wildgate zur Kunst erhoben. Da wird mit Raketen-Boostern, Greifhaken und Teleportern gearbeitet, nur um dann innerhalb und außerhalb der Schiffe der Gegner ordentlich mit Waffen und Granaten auf den Putz zu hauen und dem eigenen Team einen Vorteil zu verschaffen. Und tatsächlich fühlt sich der Sieg über ein anderes Team, das man nach einem langen Kampf endlich vernichtet hat, zum Teil besser als ein regulärer Rundensieg an. Die übergangslosen Wechsel zwischen Raumschiff und Weltall tragen hierzu ebenso bei, wie die vielen freischaltbaren Waffen, Schiffe und Charaktere, die ihr euch mit der durch das Spielen erhaltenen Erfahrung verdient. Da ihr am Ende eines Matches in jedem Fall Erfahrung erhaltet, fühlen sich auch verlorene Partien in den meisten Fällen nicht wie Zeitverschwendung an. Auch der aus Spielen wie “Overwatch” bekannte Grafikstil passt sehr gut zum Geschehen und gibt dem Abenteuer eine spaßige Note, ohne albern zu werden oder sich selber zu ernst zu nehmen.
Außerdem lässt sich die Grafik dank einer Vielzahl von Einstellungen sehr gut skalieren, sodass der Titel auch auf älteren Systemen gut laufen sollte. Trotzdem kann es stellenweise, wie bei allen Teamspielen, zu Momenten der Frustration kommen, wenn ihr mit zufälligen Mítspielern spielt, die vielleicht noch wenig oder sogar gar keine Erfahrung mit dem Titel haben, obwohl euch das Spiel in diesem Fall sogar mit zusätzlicher Erfahrung am Ende der Runde belohnt. Wildgate ist leicht zu lernen, aber schwer zu meistern und schon eine unbedachte Entscheidung kann euch und euer Team den Sieg kosten. Dementsprechend sind feste Gruppen mit Freunden wie so oft eine gute Idee, die ihr im Hinterkopf behalten solltet, wenn ihr euch auf Schatzsuche im Weltall begeben wollt. Dank des vergleichsweise fairen Preises von knapp 30 Euro und der Tatsache, dass freigeschaltete Waffen, Charaktere und Schiffe das Spiel nicht leichter, sondern nur variabler machen, sodass theoretische auch Anfänger eine faire Chance haben, sind die Einstiegshürden geringer, als in vielen anderen Spielen dieser Art. Wildgate ist als Servicegame konzipiert und verfügt dementsprechend auch über einen Ingame-Shop in dem ihr kosmetische Gegenstände für echtes Geld erwerben könnt. Vorteile jedweder Art bietet der Shop aber nicht an. Alle Käufe sind dementsprechend rein optional.
FAZIT:
Wildgate hat eine Menge Potential und könnte dank seiner einzigartigen Kombination aus bekannten Spielideen und seinem charmanten Setting einer dieser Titel werden, den ihr auch in Jahren immer mal wieder ausgrabt, um alleine oder mit Freunden eine Runde durchs All zu drehen und andere Spieler in bester Weltraum-Piraten-Manier das Fürchten zu lehren. Die Matches sind spannend und unterhaltsam und dauern mit 20 bis 30 Minuten Spielzeit nicht so lange, dass man nicht ein paar von ihnen gemütlich absolvieren kann, um neue Charaktere, Waffen, Schiffe oder Cosmetics freizuschalten. Dass Teamspiele mit zufälligen Mitspielern oft chaotisch sind, ist ein Thema des Genres, nicht des Spiels und auch die zum Teil fehlende Varianz in der Spielwelt sowie die etwas flachen Hintergrundgeschichten sind kein Problem, an dem nicht eh schon gearbeitet wird. Einzig die Wartezeiten zwischen den Matches sind zum Teil ein wenig schade und es bleibt zu hoffen, dass der Titel mit der Zeit für immer mehr Spieler und Spielerinnen interessant wird und bleibt. Wenn das der Fall sein sollte, gibt es für die unter euch, die nach einer frischen Idee im PvP-Sektor suchen, aber grundsätzlich keinen Grund, bei dem Titel nicht zuzugreifen.