The Legend of Nayuta: Boundless Trails
Zwei! Teil Drei?
Nihon Falcom ist ein seit den 80ern bestehender japanischer Entwickler, der sich über die Jahre einen Namen in der JRPG-Gemeinde gemacht hat. Besonders die Ys- und Trails-Reihen haben sich langsam aus ihren sehr speziellen Nischen erhoben und sind, zumindest unter Genre-Fans, in aller Munde. Aus diesem Grunde haben sich die Leute bei Falcom wohl auch gedacht “Lass mal dieses Spiel, das überhaupt nichts mit Trails zu tun hat, Trails nennen!” - Marketing halt.
Neben der flotten Action-RPG-Reihe Ys und der eher langsamen Trails-Reihe mit ihren rundenbasierten Kämpfen basteln die Mädels und Jungs von Falcom natürlich gelegentlich auch andere Rollenspiele. So wurden zwei (lol) Teile einer Action-RPG-Reihe namens Zwei produziert - warum ich das erwähne? Weil 2012 quasi ein dritter Teil herauskam - zumindest, was das Gameplay angeht. Und er kam auch nur in Japan raus. Letzteres hat Publisher NIS America aber wieder gut gemacht und für den Westen ein HD-Remaster des PSP-Titels für PS4, Switch und PC herausgebracht.
Kingdom Hearts 2.718281828…
Den Gag in dieser Überschrift muss ich wohl kaum erklären, aber ich tu es trotzdem: Ich werde in diesem Abschnitt das Gameplay von Nayuta mit Kingdom Hearts vergleichen und diese Reihe hat sehr seltsame Nummerierungen. Die gewählte Nummer ist die Eulerzahl, die nicht nur wie die Story von KH irrational ist, sondern auch dafür steht, dass sich ungefähr so viele Publikationen und Manuskripte von Leonhard Euler in dessen Opera Omnia befinden, wie es Kingdom-Hearts-Titel gibt, die allesamt super wichtig für die Handlung sind (866).
So, genug Schabernack, jetzt geht es wirklich um Nayuta: Ähnlich wie in der Kingdom-Hearts-Serie (oder der weniger bekannten Zwei-Reihe von Falcom selbst) handelt es sich hier um ein Action-RPG mit Platforming-Einlagen. Von Nayutas Heimatinsel aus wählt ihr auf einer Weltkarte eine Stage aus und prügelt, hüpft und rätselt euch dann durch jene hindurch. Die relativ linearen Level bieten neben mal mehr mal weniger gut versteckten Collectibles und Gegnern einige Hüpfpassagen und das eine oder andere Schalter- oder Schieberätsel - alles Standardkost, aber in sich stimmig. Nayuta bewegt sich dabei ein bisschen langsamer als Adol Christin aus Ys, hat aber auch mit jeder der beiden Waffenarten eine (im Laufe des Spielverlaufs erweiterbare) Kombo parat, kann blocken, springen und eine Ausweichrolle ausführen und hat mit seiner kleinen Feen-Partnerin Noi auch Zugriff auf Magieangriffe.
In jeder der vier Welten wartet am Ende natürlich ein imposanter Bosskampf auf euch, der, wenn ihr nicht entsprechend gelevelt oder ausgerüstet seid, schon gefährlich werden kann, bei durchschnittlichem Spielverhalten aber nicht allzu viel abverlangt. Die Stages sind abwechslungsreich designt und bergen insofern Wiederspielwert, als dass es haufenweise Goodies zu finden und Missionen abzuschließen gilt, deren Belohnungen euch das Leben erleichtern oder einfach mehr Möglichkeiten bieten. Außerdem könnt ihr nach dem Besiegen des Areal-Bosses den kompletten Kontinent noch einmal in einer anderen Jahreszeit durchlaufen. Das ändert nicht nur die Optik des Levels, oft sind gewisse Bereiche nur während einer bestimmten Jahreszeit erreichbar.
Trails of a shallow Story
Warum aber spaziert Nayuta überhaupt durch eine andere Welt? Zuallererst aus Neugier. Der Teenager ist nämlich besonders interessiert an einer Welt hinter dem Ende der bekannten Welt - ein Ort, den die, die an ihn glauben, “Lost Heaven” getauft haben. Zu diesen Leuten gehörten auch Nayutas verstorbene Eltern. Zahlreiche kleine Kristalle, die gelegentlich vom Himmel fallen und die, wenn man sie mit dem richtigen Licht bestrahlt, Bilder von komplexen Gebäudestrukturen und unbekannten Landschaften zeigen, sind für Nayuta erste Beweise für die Existenz dieser Welt. Zusammen mit seinem alten Kumpel Cygna reist er während der Sommerferien zurück auf seine Heimatinsel Remnant Isle, auf der er wie immer seinem Ferienjob nachgeht - Sidequests! Die Inselbewohner können die Jungs nämlich für all ihre Probleme buchen. Von einfachen Botengängen zu umfangreicheren Such- und Sammelaktionen sind alle gängigen Sidequest-Formate vorhanden und die Belohnungen rechtfertigen den Mehraufwand in den allermeisten Fällen.
Als jedoch eine riesige Ruine vom Himmel stürzt, in der es auch noch vor Monstern wimmelt, machen Nayuta und Cygna Bekanntschaft mit der Fee Noi, die vor zwei grimmig dreinschauenden Kerlen flieht. Die Männer stehlen der Fee ein sogenanntes “Master Gear” und verschwinden daraufhin durch ein Portal. Die aufgescheuchte Noi erklärt Nayuta, dass die Master Gears in einer Welt namens Terra (dem echten Namen von “Lost Heaven”) für Ordnung sorgen und das Stehlen oder Manipulieren weitreichende Veränderungen der Ökosysteme wie zB Wetterumbrüche mit sich ziehen. Was die beiden Fieslinge damit bezwecken wollen, wie sie das Ganze aufhalten können und wie die beiden Welten miteinander verbunden sind, müssen Nayuta und Cygna fortan herausfinden, indem sie sich durch das Portal stürzen, die Master Gears zurückerobern und Schritt für Schritt die Ordnung in Terra wiederherstellen. Was für den einen oder anderen nach einer aufregenden Prämisse klingt, entpuppt sich als solide, aber nicht überragend gute Fantasy-Story mit Sci-Fi-Einlagen. Das Kaliber der Haupt-Trails-Reihe wird weder in Punkto Story noch World Building erreicht, aber unterhalten kann das Spiel dennoch sehr gut mit seinen sympathisch geschriebenen Figuren.
Na yut, spiel ick halt Nayuta
Nayuta ist ja nicht der einzige PSP-Titel, der in letzter Zeit ein HD-Upgrade für Switch, PS4 und PC spendiert bekommen hat. Auch Tactics Ogre, Crisis Core, Star Ocean und nicht zuletzt die beiden Trails-Hauptspiele Zero und Azure wurden kürzlich portiert und die meisten davon funktionieren ordentlich auf der Switch (nicht, dass ich es der Konsole nicht zutraue, aber leider haben wir schon eine Menge schlechter Ports gesehen). Zum Glück gilt das auch für Nayuta - die PSP-Grafik ist natürlich im Kern noch vorhanden, wurde aber deutlich aufgehübscht und sieht selbst im Handheldmodus sehr scharf aus. Dabei werden sogar 60 FPS nicht nur erreicht, sondern auch in den allermeisten Fällen konstant gehalten - leider sehr selten für ein Switch-Spiel. Auch musikalisch lässt sich nicht meckern: Musik ist natürlich immer Geschmackssache, aber wer bereits einen Soundtrack eines Nihon-Falcom-Titels gehört hat, weiß, dass ihn höchste Qualität erwartet. Die Limitationen der PSP in Sachen Spielumfang werden gekonnt durch Spielmechaniken übertyncht: An sich gibt es gar nicht so viele Level in dem Spiel, aber durch die verschiedenen Jahreszeiten und die teilweise ganz gut versteckten Goodies werden viele von ihnen mehrmals durchlaufen, was die Spielzeit über die 20-Stunden-Grenze hieven kann, wenn gewünscht. Schnelldurchläufer hingegen, die sich für Nebenkram nicht interessieren, können durchaus auch nach 15 Stunden bereits den Abspann genießen.
FAZIT:
Es ist großartig, dass wir in einer Zeit leben, in der JRPGs nicht nur größtenteils sofort auch im Westen erscheinen, sondern in der der eine oder andere Publisher auch Versäumnisse der Vergangenheit beseitigt. Nayuta ist zwar trotz des HD-Upgrades immer noch ein PSP-Spiel, aber auch immer noch ein ziemlich gutes. Die Levels zu durchlaufen und dabei alle Kristalle und Schatztruhen mitzunehmen und Nebenmissionen abzuschließen ist nicht nur motivierend, sondern auch unterhaltsam. Dabei sind die meisten Stages in wenigen Minuten absolviert, was ideal für kleinere Spielsessions unterwegs ist. Im Gegensatz zu den “richtigen” Trails-Titeln spart sich Nayuta auch zu große Walls-of-Text, in denen kleingliedrig Details über die Spielwelt preisgegeben werden. Wer mit Ys Spaß hatte (oder wem Ys etwas zu “schnell” ist) und kein Problem damit hat, dass das Spiel größtenteils in linearen Stages stattfindet und den Spieler nicht eine große, zusammenhängende Welt erkunden lässt, sollte sich Nayuta auf jeden Fall ansehen, denn das, was das Spiel machen will, macht es echt gut.