Arcade Paradise
Erinnert ihr euch an lange Nächte in der örtlichen Videospielehalle? An Hosentaschen voll mit 1DM-Münzen? An schmerzende Handgelenke vom vielen Pac-Man-Zocken? Nein? Ich auch nicht. Aber Schwamm drüber. In Arcade Paradise können wir jetzt eine eigene Spielhalle aufbauen und uns so in die frühen 90er-Jahre zurückversetzen lassen.
Aller Anfang ist schwer
Wir haben die Switch-Version der Management-Simulation für euch getestet und sind dazu in die Rolle der 19-jähigen Ashley geschlüpft. Ashley hat keinen Schulabschluss und gilt in der Familie als Tunichtgut. Um sich dennoch in der Berufswelt beweisen zu können, lässt ihr Vater sie im eigenen Waschsalon arbeiten. Dazu bewegen wir uns als Ashley aus der Egoperspektive durch einen kleinen, aber relativ detailliert ausgearbeiteten Waschsalon und kümmern uns während der Anfangsphase des Spiels um ziemlich mondäne Aufgaben. Die Wäsche will natürlich gewaschen, und Müll muss aufgesammelt und im Container neben dem Gebäude entsorgt werden. Außerdem ziehen wir alte Kaugummis von Sitzen und gehen mit einem Pümpel gegen die verstopfte Toilette vor. Jede dieser Aufgaben präsentiert sich als Mini- oder viele eher noch als Mikro-Spiel, das mit einem S-, A-, B- oder C-Rang abgeschlossen werden kann. Für jeden Handgriff belohnt uns Arcade Paradise mit ein paar Dollar, die wir am Ende des Tages in einem Safe ablegen können. Der Safe befindet sich in einem kleinen Büro mit einem Computer. Um dort hinzugelangen, müssen wir durch einen Nebenraum, der zufälligerweise mit drei Arcade-Maschinen ausgestattet ist.
Nach dem ersten Arbeitstag stellt Ashley fest, dass die Arcade-Spiele mehr Gewinn abwerfen als die Waschmaschinen nebenan. Da ist es nur logisch, dass wir ab jetzt mehr Zeit und Aufwand in die Spiele stecken. Am Bürocomputer – der tatsächlich aussieht als würde er mit Windows 95 oder einem der NT-Betriebssysteme laufen – können wir neue Arcade-Maschinen bestellen, die dann stets am Folgetag geliefert werden. Die Preise der Maschinen sind so gestaltet, dass wir in der Regel ein paar Tage lang langweilige Aufgaben im Waschsalon erledigen müssen, um einen neuen Spielautomaten finanzieren zu können. Darüber hinaus gibt es praktisch keine wirtschaftlichen Aspekte zu berücksichtigen. Laufende Kosten für Miete oder Elektrizität interessieren hier niemanden. Automaten müssen auch nicht gewartet werden, denn sie können nicht kaputtgehen. Darin liegt das Hauptproblem von Arcade Paradise: Die anfängliche Gameplay-Spirale bestehend aus den immergleichen Aufgaben im Waschsalon erfordert weder Hirnschmalz noch Geschick und macht bereits nach kurzer Zeit einfach keinen Spaß mehr. Wer das Spiel genießen möchte, muss lediglich viel Geduld mitbringen. Ab einer gewissen Anzahl an Spielautomaten im Nebenzimmer verdient sich das Geld dann aber praktisch von alleine und wir können auf das langweilige Wäschewaschen und das Aufsammeln von alten Zeitungen und verloren gegangenen Socken verzichten, um uns ganz auf die Retro-Games zu konzentrieren.
Lite-Management-Sim vs. Retro-Spielesammlung
Allgemein lässt sich sagen: Arcade Paradise ist keine gute Management-Simulation. Zum Glück ist es aber eine ordentliche Retro-Spielsammlung, denn jede Arcade-Maschine bietet ein eigenes, an irgendeinen Spieleklassiker angelehntes Spiel, das tatsächlich auch spielbar ist, zum Teil sogar zu zweit oder zu viert. Racer Chaser spielt sich beispielsweise wie eine Mischung aus Pac-Man und GTA. Blobs from Space ist ein Space-Invader-Klon, Barkanoid eine Version von – wer hätte es gedacht – Arkanoid, nur mit einem Dackel statt der bewegbaren Plattform am unteren Spielfeldrand. Mit Hilfe von Ashleys Schwester, die uns immer wieder über einen Chat kontaktiert, können wir den Wasch… äh die Spielhalle ausbauen und so mit insgesamt 35 verschiedenen Arcade-Maschinen und analogen Spielen wie Air-Hockey oder Billard ausstatten.
Ashleys Vater – im Englischen übrigens von Doug Cockle, dem Synchronsprecher von Geralt aus der Witcher-Reihe, gesprochen – präsentiert uns nach einiger Zeit spezielle Aufgaben, mit denen wir zusätzlich Geld verdienen können. Diese Aufgaben haben meist mit den Arcade-Automaten zu tun und ergeben im Kontext der ohnehin schon minimalistischen Story eigentlich keinen Sinn, geben uns aber einen Grund, um mehr Zeit mit bestimmten Automaten zu verbringen. In Racer Chaser sollen wir beispielsweise 25 Polizeiautos mit dem Panzer überrollen, in Zombat 2 (einem Twin-Stick-Shooter) eine bestimmte Anzahl an Gegner mit der Schrotflinte abknallen. Weil unser „Geralt, der König der Riviera“ (den Witz gibt’s im Spiel wirklich!) inzwischen in England unterwegs ist, bezahlt er uns für das Erledigen der Aufgaben allerdings in Pfund. In der Praxis bedeutet das, dass wir zwei Konten führen müssen: Eines mit Dollar, die wir in neue Automaten oder den Ausbau der Spielehalle investieren können, und ein zweites Konto mit Pfund Sterling, die wir für diverse Upgrades, wie einen größeren Müllbeutel, ausgeben dürfen. Den Überblick über die verschiedenen Aufgaben behalten wir mit Hilfe eines jederzeit aufrufbaren PDAs.
Optisch präsentiert sich Arcade Paradise auf der Switch ordentlich, aber mitnichten perfekt. Der Waschsalon wurde schön ausgearbeitet, kommt aber mit stellenweise ziemlich starkem Kantenflimmern und einigen verschwommenen Texturen daher. Bezüglich des Kantenflimmerns hilft es, im Optionsmenü des PDAs vom Grafik- in den Leistungsmodus zu wechseln, dieser verdunkelt das gesamte Bild allerdings seltsamerweise.
Besucher stehen oder sitzen außerdem nur tatenlos herum und lösen sich, wenn man ihnen zu nahe kommt, in Pixel auf. Letzteres soll wohl so sein, sieht aber dennoch nicht schön aus. Richtig gut sehen dagegen die Retro-Spiele aus. Die strotzen nur so vor Flair und es ist erstaunlich mit wie viel Kreativität sich die Entwickler an die "Neuerfindung" alter Klassiker gewagt haben.
Von akustischer Seite zeigt sich Arcade Paradise zunächst unauffällig, mit dem Kauf eine Jukebox lässt sich das jedoch ändern. Dann nämlich steht uns eine überraschend gute Auswahl an lizensierten Liedern aus den 80er- und 90er-Jahren zur Verfügung.
Hinsichtlich der Technik sollten wir noch erwähnen: Zwei Mal stürzte uns das Spiel komplett ab und an einer Stelle des Waschsalons konnten wir den Müll nicht länger aufheben.
Fazit
Arcade Paradise wird von den Entwicklern als "Lite-Management-Sim" beworben. Das war womöglich kein gelungener Schachzug, denn wer mit einer entsprechenden Erwartungshaltung an das Spiel herantritt, wird trotz des Wörtchens "Lite" im Titel zweifelsohne enttäuscht sein. Als Simulations-Spiel ist Arcade Paradise bestenfalls mittelmäßig. Die immer gleichen Aufgaben während den ersten Spielstunden nerven schnell.
Wer das Ganze dagegen als Retro-Spielesammlung betrachtet, wird hier deutlich mehr Freude haben. Für gerade einmal 20€ bekommen Spieler eine beachtliche Auswahl an neu erfundenen Klassikern und dürfen manche davon sogar im Multiplayermodus genießen, wenn sie sich mit viel Geduld durch das Drumherum gekämpft haben.