#Schmerzhaft - Final Fantasy VII: The First Soldier
Mittwoch, der 17. November 2021. In der Mittagspause stolpere ich über einen Bericht zu Final Fantasy VII: The First Soldier, das genau heute erscheinen soll. Bisher habe ich das Spiel nicht bewusst wahrgenommen, aber auf den ersten Blick klingt es genau nach dem, worauf ich gerade Bock habe: Ein Battle Royale mit Waifus, über Season Passes sammelbaren kosmetischen Items, und der Möglichkeit direkt vom ersten Tag an dabei zu sein. Der riesige Haken daran: Es erscheint nur für Smartphones. Ganz kurz freue ich mich darauf, The First Soldier über den Android-Emulator Bluestacks auf meinem PC zu spielen, bis sich sehr schnell herausstellt, dass der Titel (derzeit) nicht emuliert werden kann. Der offizielle Twitter-Account des Spin-Offs wirbt jedoch damit, dass man das Battle Royale "wie auf einer Konsole" spielen könne, indem man einfach einen Controller mit dem Smartphone verbindet und das Bild über einen Fernseher oder einen Monitor streamt. Challenge accepted.
Die Suche nach dem richtigen Smartphone
Mein derzeitiges Smartphone ist tatsächlich ein uraltes Nokia TA-1063 mit Android One, das ich mir 2014 für rund 80€ auf Amazon bestellt habe. Ich kenne mich zwar wirklich nicht mit Smartphones aus, aber da The First Soldier drei Gigabyte RAM benötigt und schon der Festspeicher dieses alten Modells nur zwei Gigabyte groß ist, denke ich eher nicht, dass es vernünftig darauf laufen würde. Also beginnt die Suche nach geeignetem Ersatz, den ich mir ohnehin schon seit längerer Zeit beschaffen wollte. Eine kurze Recherche zeigt, dass die Ausgabe des Bildsignals über den USB-C-Anschluss bei Android-Smartphones kein verbreitetes Feature ist, sondern nur bei High-End-Modellen funktioniert. Die beste und sicherste Wahl wäre da wohl noch das ASUS ROG Phone 5, das aber zu einem für meine Bedürfnisse völlig übertriebenen Preis angeboten wird.
Allerdings habe ich noch ein Ass im Ärmel: Eine Person aus meinem Bekanntenkreis hatte mir vor einigen Wochen angeboten, mir ihr altes iPhone 7 zu überlassen. Nun ist es schon nach 20 Uhr, aber ich schreibe ihr, dass wir auf der Arbeit seit heute 3G hätten (damit ist kein Mobilfunkstandard gemeint) und ich das Smartphone gerne heute noch abholen würde, weil selbst die CovPass-App auf meiner alten Kartoffel nicht mehr läuft und ich morgen schon kontrolliert werden könnte. Das stimmt zwar alles, aber es ist nicht der Grund, warum ich das Gerät unbedingt jetzt und heute noch brauche. Es geht um ein Videospiel. Aber das muss die besagte Person ja nicht wissen, während sie mir im Schlafanzug ihr altes iPhone überreicht.
Spielen wie auf einem chinesischen Konsolenimitat
Das Einrichten des Second-Hand-Smartphones klappt recht problemlos. Nur die Funktion zum Übertragen der Daten von einem alten Android-Handy führt dazu, dass das UI einfriert und das Handy neu gestartet werden muss. Egal, woran es liegt: Es geht schneller, meine WhatsApp-Kontakte manuell zu übertragen, als das Problem zu lösen. Auch das Verbinden des PS5-Controllers gelingt nach wenigen Sekunden, mehr Zeit brauche ich da schon für die dicke Staubschicht, die ich von dem seit Monaten ungenutzten Eingabegerät der Sony-Konsole erst einmal abwischen muss. Lediglich AirPlay (das Apple-Protokoll, mit dem man die Bilddaten vom iPhone an einen kompatiblen Fernseher senden kann) macht Probleme, und die Hinweise auf den Support-Seiten von Apple sind nutzlos. Nach über einer Stunde finde ich tief in einem Telekom-Hilfeforum die Lösung: Ich muss in den Router-Einstellungen irgendwelche schwarze Magie mit den WLAN-Übertragungsbändern wirken. Danach funktioniert es. Final Fantasy VII: The First Soldier läuft auf meinem TV und ich kann es mit meinem Controller steuern. Zumindest rein theoretisch.
Die Spielerfahrung ist die schlechteste, die ich jemals erlebt habe. Die Blauzahn-Verbindung vom Controller zum Smartphone ist schon nicht optimal, merklich verzögert und instabil, was zu reichlichem Drift der Analogsticks führt. AirPlay packt dann noch mal eine ordentliche Latenz obendrauf, sodass der Input Lag insgesamt bei rund einer halben Sekunde liegt. Eine Tonausgabe erfolgt überhaupt nicht. Trotzdem schaffe ich es irgendwie, mir auf dem Fernseher eine Spielfigur zusammenzuklicken, und bin eigentlich ganz angetan. Während ich mich in Forza Horizon 5 zähneknirschend für die am wenigsten hässliche Option entscheiden musste, bietet mir The First Soldier bei Frisuren und anderen Merkmalen gleich mehrere nett anzusehende Alternativen an, zwischen denen ich mich entscheiden darf. Dann muss ein Name gefunden werden. "Futaba" ist natürlich schon vergeben. Mein Standardname "SMM2Futaba" wird mir verboten, weil er unredliche Wörter enthalte. Also entscheide ich mich für "Futaba-Chan" und muss mich den Rest des Abends darüber ärgern, den Namen falsch geschrieben zu haben (großes statt kleines C).
Sehtest für Fortgeschrittene
Spätestens im Tutorial wird jedoch klar, dass The First Soldier über AirPlay völlig unspielbar ist. Also versuche ich, das Battle Royale direkt auf dem Smartphone-Bildschirm zu steuern, was zu einem neuen Problem führt. Ganz ehrlich: Ich habe riesigen Respekt vor allen Spielern, die auf dem winzigen Bildschirm irgendetwas erkennen und gute Ergebnisse erzielen können. Ein weiteres Hindernis ist die Steuerung, denn die Knopfbelegung wird vom Spiel überhaupt nicht erklärt und ist auch nicht leicht zu erraten. In vielen Fällen muss ich dann doch auf den Touchscreen ausweichen, weil es sonst einfach nicht weitergeht. Später in den Menüs sieht es nicht viel anders aus und es fällt mir wirklich schwer, die UI-Texte zu lesen.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt: Apple bietet für iPhones auch einen kabelgebundenen HDMI-Adapter an. Dieser verbessert das Latenz-Problem aber nicht wirklich, was auf YouTube recht eindeutig dokumentiert ist, und kostet obendrein völlig lächerliche 55 Euro. Zum Vergleich: Ein Adapter von USB-C zu HDMI, der mit bestimmten Android-Smartphones verbunden werden kann, kostet 13 Euro und die Bildverzögerung fällt deutlich geringer aus. Apple-Fanboys bezahlen große Summen allein für den Markennamen und machen Tim Cook mit ihren Geldgeschenken zum Multi-Milliardär. Dazu passt dann auch die Anekdote, dass der Silent Mode des iPhones aktiviert war und ich beim Versuch, die Tonausgabe zu "reparieren", verwirrt nach einem Kopfhöreranschluss gesucht habe.
Zum Spiel selbst gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, da es nicht viel mehr bietet als die grundlegenden Elemente, die für ein funktionierendes Battle-Royale-Videospiel notwendig sind. Zu Beginn bin ich nur mit einem Schwert ausgestattet und kann Schusswaffen für Fernkampfangriffe, Materia für Magieangriffe sowie Heiltränke in der Spielwelt finden. Die Steuerung entspricht einem normalen Third-Person-Shooter, mit dem Unterschied dass automatisch geschossen wird, wenn sich mein Fadenkreuz über einem Gegner befindet. Viele meiner Matches enden nach wenigen Sekunden, da ich direkt neben einem Spieler lande, der sofort eine Waffe findet und offenbar seit 20 Jahren professioneller Shooter-Spieler ist. Da es rund zwei Minuten dauert, bis ein Spiel wirklich startet, ist das sehr entmutigend. In einer Runde komme ich etwas weiter und lande mit vier Kills fast in den Top 20 (von 75 Spielern), was aber nicht daran liegt, dass ich mich verbessert hätte - ich habe einfach nur gleich in der ersten Kiste zwei starke Waffen gefunden, mit denen ich meine frühen Kontrahenten über den Haufen ballern konnte.
Ärger über Square-Enix
Mit anderen Worten - Final Fantasy VII: The First Soldier ist, für sich genommen, eine nette 7/10 mit möglichem Suchtfaktor. Erst wenn ich darüber nachdenke, welches Potential dieser Titel gehabt hätte, wird ein "#Schmerzhaft"-Artikel draus. Ein Battle Royale mit der Optik von Final Fantasy VII Remake, in dem wir beliebte Figuren (später vielleicht auch aus anderen Final-Fantasy-Teilen und Crossovern) cosplayen dürfen, hätte wahrscheinlich so einige Fanboy-Träume in Erfüllung gehen lassen. Doch vermutlich hätte ein solches Projekt die zehnfachen Entwicklungskosten verschlungen und gleichzeitig nur den fünffachen Umsatz generiert, sodass es in den Renditerechnungen von Excel-Tabellen ausfüllenden Anzugträgern durchgefallen ist. Dass der japanische Gigant noch nicht mal eine Steam-Portierung der Android-Version anbietet, ist ein noch größeres Armutszeugnis. Der Online-Marktplatz von Valve ist überflutet mit billig produzierten chinesischen MMORPGs und Battle-Royale-Titeln, die Crossplay zwischen PC und Smartphones implementiert haben. Wenn die das können, und wenn Orteil die Android-Version seines Hobbyprojekts Cookie Clicker auf Steam hieven kann, hätte Square-Enix das mit Final Fantasy sicherlich auch gekonnt. Sie hatten einfach nur keine Lust.
Wenn The First Soldier wirklich abhebt, werden vielleicht ein paar Portierungen nachgelegt - diese kämen jedoch zu spät, denn bis dahin werden etliche Seasons und Events bereits vorbei sein, sodass es keinen Sinn mehr macht, zu diesem Zeitpunkt noch ins Spiel einzusteigen. Besonders viel freizuschalten gibt es aber ohnehin nicht: Der erste Season Pass bietet zwar 100 Stufen, ist jedoch ähnlich aufgebläht wie ein Adventskalender mit angeblich hochwertigen Produkten. Die meisten Belohnungen beschränken sich auf Chocobo-Futter oder winzige Mengen an Ingame-Währung. Die wirklich coolen Outfits, aktuell z.B. das Tifa-Skin, können offenbar nur mit Echtgeld freigekauft werden.
FAZIT:
Final Fantasy VII: The First Soldier hätte sehr viel Potential gehabt und könnte mir selbst in seiner jetzigen Form, zumindest auf einem ausreichend großen Bildschirm und mit einer vernünftigen Steuerung, wirklich Spaß machen. Doch das von Square-Enix beworbene "Spielen wie auf einer Konsole" ist, wenn überhaupt, nur mit teuren Android-Smartphones möglich. Das Experiment, den Titel ohne große Investitionen mit einem Controller am Fernseher zu spielen, sehe ich für mich persönlich jedenfalls als gescheitert an. Aber immerhin habe ich nun ein Smartphone, auf dem die CovPass-App läuft, sodass ich - vorbehaltlich neuer gesetzlicher Richtlinien - vielleicht mal wieder zum Frisör gehen kann. Auch wenn es mir fast schon etwas peinlich ist, da die Person die meinen digitalen Impfausweis kontrolliert mich vermutlich für ein Markenopfer halten wird, das 55 Euro für einen HDMI-Adapter ausgibt.
Gesendet von meinem iPhone
Ich habe vor einigen Wochen den Versuch gestartet Genshin Impact vom Android Phone auf den TV zu bringen, war auch nicht so prall!