Test

Nioh Collection

Von Jeremiah David am 16.02.2021

Anno 2017 war das Action-Rollenspiel Nioh ein Überraschungshit. Das Entwicklerstudio Team Ninja war zu dem Zeitpunkt vor allem für die qualitativ eher durchwachsene Dead-or-Alive-Serie bekannt und ein gutes Soulslike trauten viele Gamer den Jungs aus Japan nicht zu, erst recht nicht nach einer schrecklich langen und von unzähligen Rückschlägen und Verschiebungen geprägten Entwicklungszeit von satten 13 Jahren. Umso positiver wurde Nioh dann jedoch von Spielern und Kritikern aufgenommen.

Das Spiel war nicht ohne Schwächen, überzeugte aber mit flottem, herausforderndem Gameplay und einer guten Spielbarkeit. Die Gamer quittierten diese Qualitäten mit guten Verkaufszahlen. So durfte sich Team Ninja prompt an die Arbeit für einen Nachfolger machen und 2020 wurde Nioh 2 veröffentlicht. Jetzt, ein knappes Jahr später, gibt es beide Spiele als Remastered-Versionen im Bundle für die PlayStation 5. Lohnt sich der Kauf?

William, Edward und die Yokai

Nioh erzählt die Geschichte eines irischen Matrosen und Piraten, der zumindest lose auf der gleichnamigen historischen Figur William Adams basiert, aus irgendeinem Grund jedoch wie Geralt von Riva in einem Samurai-Kostüm aussieht. Der echte William Adams segelte 1598 von Rotterdam nach Japan und verhandelte mit den Reichseinigen des feudalen Japans. Es ist wohl davon auszugehen, dass er wenig Kontakt mit Dämonen, Geistern und anderen übernatürlichen Kreaturen hatte – damit darf sich aber der fiktive William Adams aus Nioh auseinandersetzen. Nioh beginnt im berühmtberüchtigten Tower of London, wo William, der im Auftrag der spanischen Königin unterwegs war, in einer Zelle ausharren muss. Die Briten wollen verhindern, dass die Kriege der Samurai aufhören, denn so kommen sie leichter an magische Amrita-Steine, die sie im Kampf gegen Spanien einsetzen wollen. Mit bloßen Fäusten reißt William die Gefängnismauer ein und flieht mit Hilfe eines freundlichen Geistes namens Saoirse vor den Engländern. Bei seiner Flucht trifft William auf den bösen Edward Kelley – ein leichenblasser Kerl, der sich optisch gewiss auch in einem Teil der Resident-Evil-Serie heimisch fühlen würde. Nach einem Kampf reißt Edward Saoirse an sich. Um Saoirse zurück zu bekommen, muss William nach Japan reisen und nicht nur menschliche Gegner, sondern auch verschiedene Yokai-Dämonen bekämpfen.

Nioh 2 spielt inhaltlich vor dem ersten Teil und verabschiedet sich somit von William Adams. Statt in England beginnt Nioh 2 zur Sengoku-Zeit um 1555 in der japanischen Provinz Mino, wo der Protagonist, der vom Spieler in einem Charakter-Editor selbst erstellt werden darf, als Söldner angeheuert wird, um Yokai zu jagen. Der Clou dabei: Der Dämonenjäger – oder wahlweise die Dämonenjägerin – ist selbst halb Mensch und halb Yokai und verfügt deshalb über einige spezielle Yokai-Fähigkeiten, die dem zweiten Teil sein größtes Alleinstellungsmerkmal verleihen.

Grundsätzlich sind die Geschichten der beiden Spiele bestenfalls auf B-Movie-Niveau und auch nur ansatzweise kohärent. Wer eine spannende Story sucht, ist hier falsch. Nioh überzeugt aber, wie oben schon erwähnt, mit anderen Qualitäten. Im Fokus der beiden Spiele stehen ein knallharter Schwierigkeitsgrad, der problemlos mit den Spielen aus dem Hause From Software mithalten kann, viele Bosskämpfe, eine einwandfreie Spielbarkeit und ganz besonders ein ausgereiftes, komplexes Kampfsystem. Um das Kampfsystem zu beschreiben, zitiere ich an dieser Stelle gerne meinen Kollegen Andreas und verweise dabei auf seinen Test zu Nioh 2:

Das Kampfsystem selbst ist actionlastiger, als wir es von den meisten anderen Genrevertretern kennen. Natürlich tanzen wir nicht ganz so elegant um unsere Gegner herum wie Bayonetta oder Dante, aber insgesamt ist unser Avatar deutlich agiler als die Hauptfiguren der Dark-Souls-Trilogie. Das allgemeine Spielgefühl von Nioh erinnert also eher an Platinum Games als an From Software, sodass uns die Auseinandersetzungen entsprechend schnelle Reflexe abverlangen. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Komplexität des Kampfsystems: Zu dem Standardrepertoire aus schnellen und starken Angriffen gesellen sich Ninja-Werkzeuge wie Shurikens oder Krähenfüße und sogar Onmyo-Magie, die offensiv oder defensiv eingesetzt werden kann. Außerdem können wir jederzeit zwischen drei verschiedenen Körperhaltungen wechseln, um entweder unsere Offensive, unsere Blocks oder unsere Ausweichmanöver zu verstärken. Im Zentrum steht - ähnlich wie in Sekiro - das Ausdauersystem: Ist das sogenannte Ki unserer Gegner aufgebraucht, können wir ihnen mit einer Spezialattacke sehr ordentlich zusetzen.

Die Level sind ähnlich düster und verwinkelt wie Areale der Souls-Spiele. Der Fortschritt wird genretypisch durch das Öffnen von Türen, Toren oder das Herablassen von Leitern festgehalten, oder aber durch das Speichern an Schreinen, wobei anzumerken ist, dass beim Speichervorgang jedes Level eine Art Reset durchführt: Sämtliche Gegner mit Ausnahme bestimmter Bossgegner spawnen dann neu.

Schwächen zeigen beide Nioh-Spiele bei der Kameraführung, die speziell in engen Räumen und Korridoren suboptimal funktioniert. Außerdem erfordern manche Kämpfe ebenso viel Vorwissen wie Können. Gegner springen gerne aus dem Hinterhalt und bei Bossgegnern ist das Einprägen der Angriffsmuster absolut notwendig, wodurch stets mehrere Anläufe fest eingeplant werden sollten. Das Item-Management ist zudem bei beiden Titeln mühselig und zeitraubend. Wer Nioh genießen möchte, sollte also nicht nur frustresistent sondern auch sehr geduldig sein. 

Was ist neu?

Kehren wir nun zur Frage von oben zurück: Lohnt sich der Kauf der Nioh Collection? Sagen wir es so: Sowohl Nioh als auch Nioh 2 waren und sind erstklassige Vertreter des Soulslike-Genres. Die Collection kommt außerdem inklusive aller Erweiterungen daher und bietet Hard-Core-Gamern so einen wahrhaft gigantischen Umfang von mehr als 200 Stunden Spielzeit. Die Spiele sollten Gamern, die mit dem Genre etwas anfangen können, definitiv einen Blick wert sein, einen Neukauf rechtfertigt die Collection allerdings eher nicht. Zwar haben die Entwickler ein klein wenig an der Technik geschraubt, aber es handelt sich hier trotz allem eben nur um Remastered-Versionen, nicht um Remakes. Spieler, die Nioh noch nicht kennen, können dagegen bedenkenlos zugreifen und mit der Collection richtig Kohle sparen, denn das Preis-Leistungsverhältnis ist speziell dank der enthaltenen Erweiterungen mehr als fair.

Wie eben schon angedeutet sind die Vorzüge der Next-Gen-Versionen ziemlich überschaubar: Neben deutlich verkürzten Ladezeiten und ein paar haptischen Verbesserungen, beispielsweise beim Bogenschießen, können Spieler zwischen 4K-Texturen, einem „Playstation 5 Standard Mode“ oder 120 FPS wählen. Die 4K-Texturen sind schön scharf, mit einem echten Next-Gen-Spiel wie dem Remake von Demon’s Souls können die Nioh-Teile optisch aber definitiv nicht mithalten, zumal selbst zwischen dem ersten und dem zweiten Teil bereits ein Qualitätssprung in der Präsentation auszumachen ist. Der ungünstig betitelte Standard Mode (standardmäßig ist im Menü nämlich der 4K-Modus ausgewählt) schraubt die Auflösung meist auf 1080p herunter, verbessert dafür aber einige Schatten und Reflexionen, diese Änderungen sind jedoch kaum der Rede wert und werden vielen Spielern vermutlich gar nicht auffallen. Den 120-FPS-Modus konnten wir in Ermangelung eines passenden Fernsehers nicht testen, aber auch mit 60FPS spielen sich die Nioh-Teile stets einwandfrei. Wirklich relevant bleiben somit eigentlich nur die Ladezeiten. Wie in anderen Soulslike-Spielen steht wiederholtes Sterben in Nioh an der Tagesordnung und da sind Ladezeiten im niedrigen einstelligen Sekundenbereich natürlich hervorragend, aber auch die PlayStation-4-Versionen profitieren auf der PlayStation 5 von deutlich verkürzten Ladezeiten, die nur wenige Sekunden länger sind als die der Remastered-Versionen - sofern die Daten auf der internen SSD liegen, statt auf einer externen Festplatte.

Fazit:

Zwar können wir die einzelnen Nioh-Spiele jedem Genrefan trotz kleinerer Schwächen wärmstens ans Herz legen und unsere Wertung fällt dementsprechend hoch aus, aber für die Collection an sich können wir nur bedingt eine Empfehlung aussprechen, denn diese bietet im Vergleich zu den PlayStation-4-Versionen kaum Verbesserungen und letztere sind auf der PlayStation 5 dank Abwärtskompatibilität ja einwandfrei spielbar. Anders formuliert: Wer die Nioh-Teile bereits in seiner Sammlung hat, braucht sie sich gewiss kein zweites Mal kaufen. Für alle anderen bietet die Collection jedoch einen riesigen Umfang und ein top Preis-Leistungs-Verhältnis. Im Prinzip haben wir hier eine Art Game-of-the-Year- oder Complete-Edition, die zwei Spiele statt nur einem beinhaltet – nicht mehr und nicht weniger.

Zweite Meinung von Andreas Held:

Sowohl Nioh als auch sein Nachfolger gehören für mich persönlich zu den besten Spielen der letzten Konsolengeneration - und das obwohl ich mich mit den Titeln von From Software, von denen Koei-Tecmo sehr viele Aspekte abgekupfert hat, nie so wirklich anfreunden konnte. Denn während ich in Dark Souls oft das Gefühl hatte, dass mir ein Blick in eine Komplettlösung eher weiterhelfen würde als das Verbessern meiner spielerischen Fähigkeiten (vor allem die Bogenschützen in Anor Londo sind so ein Fall), konnte ich mich in Nioh auf meine Reflexe verlassen und gelegentlich auch mal einen Abschnitt oder gar einen ganzen Endboss beim ersten Versuch bezwingen. Natürlich haben beide Spiele ihre Macken: Im ersten Teil sind die Hamaya-Pfeile in vielen Bosskämpfen absolut übermächtig, was im zweiten Teil behoben wurde. Dafür schockt das Sequel nicht nur Neueinsteiger mit einer unfassbar steilen Lernkurve, bevor es dann ab der vierten Mission tatsächlich etwas gemächlicher zur Sache geht. Auch die nicht immer optionalen KI-Begleiter waren ein Aspekt, auf den ich im zweiten Teil gern verzichtet hätte. Von diesen Mini-Kritikpunkten einmal abgesehen ist Nioh, meiner Meinung nach, nahe an der Perfektion. 

Was halte ich als bekennender Fanboy also von der Collection? Tatsächlich habe ich den ersten Teil nur zu etwa zwei Dritteln beendet und bisher noch keines der DLC-Pakete gespielt. Allein für diese Inhalte würde sich die Collection fast schon lohnen, aber Jerry hat recht: Da ich beide Titel schon digital besitze wäre es klüger, einfach nur die Season Passes zu kaufen, zumal das PS5-Upgrade für Nioh 2 kostenlos ist. Neueinsteigern wird trotz der hohen UVP ein herausragend gutes Preis-Leistungs-Verhältnis geboten, denn zum Einen sind beide Spiele umfangreicher als die meisten JRPGs, und zum Anderen bieten auch die beiden Season Passes jeweils mehr Inhalt als so manches Vollpreisspiel.

Vielen Dank an Sony Interactive Entertainment für die Bereitstellung des Testmusters.
Von uns getestet: PlayStation-5-Version

Unsere Wertung:
9.0
Jeremiah David meint: "Die Nioh Collection ist für Neulinge ein tolles Paket. Nioh-Veteranen haben jedoch kaum einen Grund, sich die Titel erneut zuzulegen."
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