
Fire Emblem: Three Houses
Ein großes Schlachtfeld, auf dem sich zwei Armeen bekriegen. Zwei Kämpfer, offenbar die Anführer der beiden Heere, stehen sich im Duell gegenüber: Eine zierliche Frau und ein bulliger Muskelprotz. Nach einigem Hin und Her kann die Heerführerin ihren Kontrahenten überwältigen und zu Boden werfen. Dann passiert etwas Unerwartetes: Mit mehreren Dolchstichen in den Oberkörper tötet sie ihren Feind, an der Waffe ist kurz darauf Blut zu sehen. Unerwartet ist diese Szene deshalb, weil es sich bei Fire Emblem: Three Houses um einen First-Party-Titel von Nintendo handelt.
Nintendo auf neuen Pfaden
Egal ob bewusst oder unabsichtlich: Diese Introsequenz bereitet den Spieler sofort darauf vor, dass Fire Emblem: Three Houses ein eher ungewöhnlicher Nintendo-Titel ist, der mit vielen Traditionen bricht, für die der Publisher seit längerer Zeit kritisiert wird. Natürlich darf man keine Gewaltorgie erwarten, aber insgesamt schreckt Three Houses nicht davor zurück, dem Spieler auch mal düstere bis leicht verstörende Storyelemente und Dialoge zuzumuten. Darüber hinaus ist jede einzelne Textzeile, von den Story-Cutscenes über die Support-Gespräche bis hin zum Smalltalk mit namenlosen NPCs, mit Sprachausgabe vertont. Und für die Fire-Emblem-Serie ist Three Houses ein ähnlicher Umbruch wie der, den Zelda mit Breath of the Wild durchlebt hat - unter anderem wurde mit dem Waffendreieck ein ikonisches Merkmal der Serie einfach mal über Bord geworfen. Das Ganze geht einher mit einer spielerischen Neuausrichtung: Der Switch-Ableger der Strategie-Serie wurde stark von aktuellen JRPGs geprägt und bietet Serienfans einen vielseitigen Titel an, in dem rundenbasierte Schlachten nur noch einen Teil eines größeren Ganzen darstellen.
Die eigentliche Handlung hat zunächst einmal nichts mit der kriegerischen Einleitungssequenz zu tun. Stattdessen beobachten wir, wie eine Gruppe aus im Garreg-Mach-Kloster eingeschriebenen Militärstudenten von Banditen überfallen wird und Hilfe von den zufällig vorbeilaufenden Söldnern Byleth und Jeralt erhält. Kurz nach der Schlacht stellt sich heraus, dass Jeralt früher offenbar ein führender Mitarbeiter des Klosters war, dieses jedoch vor 20 Jahren verlassen hat. Auch an Byleth, der stummen Hauptfigur von Three Houses, hat die Belegschaft des Klosters großes Interesse: Der neue Professor, der an der Militärakademie dozieren sollte, hat nämlich beim Anblick der Banditen die Flucht ergriffen und sich somit als ungeeignet erwiesen. Byleth wird daraufhin kurzerhand ein Jobangebot gemacht, und beide Söldner ziehen ohne große Diskussionen in das Garreg-Mach-Kloster ein.
Als Teil eures neuen Berufs müsst ihr zuallererst entscheiden, welches der drei Häuser ihr unterrichten wollt. Die drei Schulklassen bringen neben den Titelfiguren Dimitri, Edelgard und Claude jeweils sieben weitere Studenten mit, die ihr bei Bedarf in kurzen Gesprächen und Vorstellungsrunden kennenlernen dürft. Von diesen Entscheidungshilfen solltet ihr bestmöglichen Gebrauch machen, denn die acht Schüler, die ihr an diesem Punkt unter eure Fittiche nehmt, nehmen eine zentrale Rolle in der Handlung des RPGs ein - alle anderen werden zu Nebendarstellern.
My Life as a Professor
Fire Emblem: Three Houses ist in zahlreiche Kapitel eingeteilt, die jeweils einem Monat aus dem Ingame-Kalender entsprechen. Am Ende jedes Monats müsst ihr eine fest vorgegebene Story-Mission erfüllen (also eine Schlacht gewinnen), um die Handlung voranzutreiben. Bis dahin dürft ihr eure Zeit aber relativ frei gestalten und jeden Sonntag wahlweise das Kloster erforschen, Seminare bei anderen Dozenten organisieren oder optionale Kämpfe absolvieren. An den restlichen Tagen übernehmt ihr die Ausbildung eurer Studenten und könnt durch das Festlegen von Lernzielen sowie die Gestaltung eurer Unterrichtseinheiten Einfluss auf deren Werdegang nehmen. Alle Schüler haben ihre persönlichen Stärken und Schwächen, auf die ihr im Prinzip jedoch keine Rücksicht nehmen müsst - jede Figur kann relativ problemlos in jede beliebige Rolle schlüpfen, sodass ihr eure Schützlinge ohne jegliche Vorgaben formen könnt. Wenn ihr Fire Emblem: Three Houses mit einem Trupp aus neun Weißmagiern oder neun Bogenschützen durchspielen wollt, dann geht das. Zumindest theoretisch.
Die Erkundungstouren durch das Kloster sind der Aspekt, der Three Houses klar in das JRPG-Genre rückt. Die Militärakademie ist in Sachen Architektur und Größe einer mittelalterlichen Burg nachempfunden und frei begehbar. Hier könnt ihr mit über 30 Charakteren interagieren, Sidequests lösen, versteckte Items finden, Einrichtungen wie das Gewächshaus oder den Angelteich benutzen und verschiedene Möglichkeiten wahrnehmen, um Byleth weiterzubilden, was sich wiederum positiv auf die Entwicklung der Studenten auswirkt. Zu Beginn eines jeden Kapitels wird das Kloster einmal komplett durchgemischt und es werden neue Dialoge, Sidequests, versteckte Items und Nebenhandlungen generiert. Die freien Sonntage helfen euch außerdem dabei, Kontakte zu den Studenten aus anderen Häusern und weiteren NPCs zu knüpfen, was euch unter anderem die Tür zu hunderten Support-Gesprächen öffnet.
Wie viel Zeit ihr in dem virtuellen Kloster verbringt, bleibt weitestgehend euch selbst überlassen. Wer Fire Emblem: Three Houses als reinen Strategietitel konsumieren will, kann die wenigen Story-Quests dank einer Schnellreisefunktion sehr schnell abhaken, die Unterrichtsplanung automatisieren lassen und entsprechend zügig zur nächsten Mission springen. Alle anderen werden den Switch-Titel als ein Spiel erleben, das deutlich lebendiger ist als seine Vorgänger. Vor allem die Ausarbeitung der einzelnen Charaktere hat einen riesigen Sprung nach vorne gemacht. Intelligent Systems haben sich recht offensichtlich von Persona 5 und Trails of Cold Steel inspirieren lassen, letztendlich aber viel mehr als eine bloße Nachahmung dieser Genregrößen auf die Beine gestellt. JRPG-Fans dürfen sich also darüber freuen, dass Nintendo Switch nach Xenoblade Chronicles 2 und Octopath Traveler noch einen weiteren hochwertigen, exklusiven Genrevertreter spendiert bekommt.
Mehr taktische Möglichkeiten, ...
Auch auf dem Schlachtfeld hat sich einiges getan. Wie bereits erwähnt ist das Waffendreieck mehr oder weniger Geschichte - dafür wurde das Kampfsystem aber an sehr vielen anderen Stellen um neue Features erweitert. Nahkämpfer und Bogenschützen haben Zugriff auf Spezialattacken, die euch eine höhere Reichweite, stärkere Angriffe oder besondere Effektivität gegen bestimmte Einheitentypen bescheren. Außerdem kann jede Einheit von einem Batallion begleitet werden, was - abgesehen von ein paar Status-Boni für eure Kämpfer - keine direkten Auswirkungen auf das Gameplay hat. Allerdings kann jedes Batallion ein fast schon übermächtiges Kampfmanöver durchführen und dadurch das Kräfteverhältnis auf dem Schlachtfeld fast im Alleingang umkehren. Die Freiheiten, die euch das Spiel bei der Ausbildung eurer Einheiten einräumt, setzen sich im Kampf fort - Magier können sowohl Angriffs- als auch Heilzauber wirken, und prinzipiell kann jede Einheit zu jeder beliebigen Waffe greifen.
Zusätzlich zu den neuen kämpferischen Möglichkeiten stellt euch Three Houses einige Taktik-Tools zur Verfügung, mit denen ihr eure Strategien perfektionieren könnt. Auf Knopfdruck werden alle Felder markiert, die in der Angriffsreichweite gegnerischer Einheiten liegen - alle Charaktere, die ihr außerhalb dieses Bereichs platziert, können garantiert nicht angegriffen werden. Bewegt ihr eine Figur in die Gefahrenzone, zeigen euch rote Linien an, welche der gegnerischen Einheiten euch in der nächsten Runde angreifen würden. Ist eine befreundete Einheit das Angriffsziel eines Gegners könnt ihr sogar nachsehen, wie viel Schaden die gegnerischen Attacken anrichten werden und wisst dadurch, ob eure Einheit bis zur nächsten Runde überleben wird, oder ob ihr noch ein paar defensive Maßnahmen einleiten müsst.
...weniger Risiko
Während eure eigene Kampfkraft also deutlich höher liegt als in bisherigen Fire-Emblem-Spielen, wurden die KI-Gegner eher entschärft. Feindliche Heere gehen nicht mehr koordiniert vor, sondern bestehen aus einzeln oder in kleinen Grüppchen agierenden Soldaten, die ihr recht leicht von ihren Verbündeten weglocken und anschließend überrollen könnt. Außerdem verbünden sich die KI-Gegner nur noch selten gegen eine bestimmte Einheit, sondern verteilen ihre Angriffe - auch dann, wenn sie eigentlich einen Kill landen könnten, wenn sie alle dieselbe Person ins Visier nehmen würden. Läuft aus irgendeinem Grund doch mal irgendetwas schief, könnt ihr mit einer mehrmals pro Schlacht einsetzbaren Rewind-Funktion zu einem beliebigen Zug zurückspringen und eure Taktik entsprechend anpassen - meist hilft in diesen Situationen eine der mächtigen Battalion-Attacken, die alle getroffenen Gegner nicht nur schwächen, sondern darüber hinaus eine Runde lang bewegungsunfähig machen können.
Fire Emblem: Three Houses lässt euch zu Beginn aus den beiden Schwierigkeitsgraden "Normal" und "Schwer" wählen. Auch der Classic-Modus, in dem eine besiegte Einheit für immer aus dem Spiel ausscheidet, ist weiterhin verfügbar. Es ist aber klar, dass die zahlreichen neuen Spielhilfen und Offensivaktionen in Verbindung mit der zurückhaltenden Gegner-KI auch bei der Kombination "Hard/Classic" für einen eher moderaten Schwierigkeitsgrad sorgen. Natürlich müsst ihr abseits des Schlachtfelds ein guter Professor sein und regen Gebrauch von den neuen Features des Kampfsystems machen, wenn ihr auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad ohne Verluste durch alle Story-Missionen kommen wollt. Der Extremfall, dass eine eurer Einheiten besiegt wird und keine Rewinds mehr zur Verfügung stehen, wird jedoch eine absolute Ausnahme bleiben, wenn ihr einigermaßen bedacht vorgeht. Alteingesessene Fans, die sich bereits nach dem Release der 3DS-Titel den Schwierigkeitsgrad eines Thracia 776 zurückgewünscht haben, könnten von diesem Aspekt des neuen Serienablegers also enttäuscht werden. Nintendo scheint sich dessen sogar bewusst zu sein und hat bereits einen Lunatic-Schwierigkeitsgrad angekündigt, der irgendwann im Rahmen eines kostenlosen Updates veröffentlicht werden soll.
Tolles Spiel, schwache Präsentation
Diese sehr subjektive Kritik am Schwierigkeitsgrad ist eigentlich gar keine wirkliche Kritik. Denn die meisten Spieler - auch diejenigen, die sich bewusst für die schwierigeren Einstellungen entscheiden - werden das neue Balancing vermutlich sogar als eine Verbesserung empfinden. Three Houses bleibt weiterhin komplex und anspruchsvoll, verhindert aber Frustmomente, in denen wir eine komplette Schlacht aufgrund eines einzelnen Fehlers neu starten müssen. Ein deutliches größeres Manko ist die Präsentation des Titels, die merklich unter der schwächeren Switch-Hardware zu leiden hat. Intelligent Systems haben sich für einen realistischen Grafikstil mit schwachen Farbkonstraten entschieden und die Optik dadurch in ein sehr unvorteilhaftes Korsett gezwängt. Wie zuvor schon Fire Emblem Warriors sieht Three Houses einfach unschön aus; die biedere Optik wird sicherlich einige potentielle Käufer abschrecken. Dazu kommt dann noch, dass bei den Rundgängen durch das Kloster die Framerate immer wieder merklich in die Knie geht.
Nintendo hat bei der Entwicklung von Three Houses mit Omega Force zusammengearbeitet, und die Handschrift des Dynasty-Warriors-Entwicklers ist auf den Schlachtfeldern ganz klar erkennbar. In der höchsten Zoomstufe werden nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch die ihnen unterstellten Batallione auf einer zusammenhängenden 3D-Karte dargestellt, sodass sich durchaus mehrere Dutzend Einheiten gleichzeitig auf dem Bildschirm befinden können. Dumm nur, dass ein Fire Emblem aus dieser Perpektive beinahe unspielbar ist. Die meisten Spieler werden stattdessen so weit es geht herauszoomen und die Kamera entsprechend neigen, um zur klassischen Vogelperspektive zurückzukehren, da diese Einstellung einfach am übersichtlichsten ist.
Der Soundtrack von Fire Emblem: Three Houses ist hingegen so gut wie eh und je. Wer Amiibos aus der Fire-Emblem-Serie besitzt, kann mit etwas Glück sogar zusätzliche Hintergrundmusiken aus früheren Serienablegern freischalten. Die Sprachausgabe ist ebenfalls gelungen, auch wenn die eingesprochenen Texte teilweise etwas gestelzt klingen und das Voice Acting nicht das Niveau eines Persona 5 erreicht. Unabhängig davon ist es ziemlich beeindruckend, dass in einem derart umfangreichen und textlastigen Abenteuer tatsächlich jede einzelne Textzeile vertont wurde - auch die japanische Original-Synchro ist auf dem Modul enthalten.
Wie viel Zeit ihr bis zum Erreichen des Abspanns mit Three Houses verbringen werdet hängt maßgeblich davon ab, wie ausführlich ihr euch mit den optionalen Inhalten befasst - aber selbst die schnellsten Spieler dürften am Ende mehrere Dutzend Stunden auf der internen Uhr des Spiels verbucht haben. Durch die üppigen Sidequests und Nebenmissionen könnt ihr diese Spielzeit noch einmal locker verdoppeln - und dann winkt ja immer noch die Möglichkeit, mit den beiden anderen Häusern zwei weitere Spieldurchgänge zu starten. Der vollständige Umfang von Fire Emblem: Three Houses ist absolut gigantisch.
Fazit:
Es ist kaum von der Hand zu weisen, dass Nintendos First-Party-Titel seit dem Release der Switch-Konsole einen sehr hohen Qualitätsstandard etabliert haben. Mit Fire Emblem: Three Houses ist Nintendo nach Breath of the Wild, Super Mario Odyssey und Super Smash Bros. Ultimate nun der nächste ganz große Wurf gelungen. Intelligent Systems haben ihr Franchise mit diesem Sequel enorm weiterentwickelt und sich von Genregrößen wie Trails of Cold Steel oder Persona 5 beibringen lassen, wie man in der aktuellen Konsolengeneration ein sehr gutes JRPG auf die Beine stellt. Das frei begehbare Kloster und die toll ausgearbeiteten Persönlichkeiten der verschiedenen Charaktere ziehen den Spieler viel stärker in die virtuelle Welt hinein als alle bisherigen Serienableger. Auf dem Schlachtfeld dürfen wir dank der optionalen klassischen Schwierigkeitsgrade weiterhin unser strategisches Können unter Beweis stellen - denn auch wenn sich der Schwierigkeitsgrad durch die vielen neuen taktischen Werkzeuge etwas moderater zeigt, ist es weiterhin ein tolles Gefühl, wenn wir nach einer langen Schlacht viele brenzlige Situationen überstanden und alle Charaktere lebend zur Siegesfeier geführt haben. Somit bleibt die eher durchwachsene visuelle Präsentation des Titels, die sicherlich auch der schwächeren Switch-Hardware geschuldet ist, als einziger echter Kritkpunkt. Nicht zuletzt aufgrund seines riesigen Umfangs ist Fire Emblem: Three Houses sowohl für Fans der Strategie-Serie als auch für alle Freunde des JRPG-Genres ein Titel, den man definitiv nicht verpassen sollte.

Trotzdem klingt es ansonsten sehr nice und ich werde es mir holen, sobald ich Geld dafür habe :D
Obwohl ich jemand bin, der mittlerweile nicht mehr den Classic Modus spielen würde. Bei mir wird es Hard und mit Wiederbelebung.
Echt super gelungener Test, deutlich besser als andere Seiten. Auch wenn du es immer wieder schaffst, den Spielen ihre Herausforderung abzusprechen.
Ich freue mich auf den Titel!
Der Soundtrack