Test

The Alliance Alive

Von Deniz Üresin am 05.06.2018

The 3DS Alive

Über ein Jahr nach Release der Nintendo Switch erscheinen immer noch größere und kleinere Titel für den altgedienten Nintendo 3DS. Besonders japanische Rollenspiele zählen seit jeher zu den stärker vertretenen Genres auf dem Handheld. Fans von Dungeon Crawlern können auf die Etrian-Odyssey-Reihe zurückgreifen, Strategen haben die Auswahl zwischen diversen Fire-Emblem-Titeln und wer auf klassische RPGs mit rundenbasiertem Kampfsystem steht, kann sich die Zeit problemlos mit Dragon Quest VIII oder Bravely Default vertreiben. Mit The Legend of Legacy hat der japanische Publisher FuRyu bereits 2015 versucht, die Herzen der 3DS-Rollenspieler zu erobern – mit nur mäßigem Erfolg. Das für einige Spieler undurchsichtige Kampfsystem und der Fokus auf der Erkundung uninteressanter, leerer Areale führte zu viel Kritik an dem ungewöhnlichen Rollenspiel, das von den Entwicklern als Würdigung der JRPGs aus dem „goldenen Zeitalter“ (SNES-/PS1-Ära) angedacht war. The Alliance Alive soll die Fehler seines geistigen Vorgängers ausbügeln und die Konkurrenz durch ein interessantes Setting, sympathische Charaktere und ein tiefgründiges rundenbasiertes Kampfsystem ausstechen. Dafür wurden unter anderem der Autor der ersten drei Suikoden-Spiele und diverse Designer sowie ein Komponist verschiedener Titel der Final-Fantasy- und SaGa-Reihen ins Boot geholt. Leider ergibt sich aus einem erfahrenen Team nicht unbedingt automatisch ein ausgezeichnetes Spiel.

Eine ungewöhnliche Allianz

Die Story-Prämisse: Eines Tages verdunkelt sich der Himmel. Die Dämonen fallen über die Menschheit her, unterwerfen sie und unterteilen die Erde durch eine große Barriere in verschiedene Bereiche. 1000 Jahre später haben sich die meisten Menschen mit ihrem Schicksal abgefunden. Einige rebellierende Gruppen gibt es aber doch – und nur mit vereinten Kräften haben sie eine Chance, die Unterdrückung durch die Dämonen zu beenden!

Euer Abenteuer startet mit der Heldin Azura, einer aufgeweckten jungen Dame, die unbedingt eines Tages den blauen Himmel sehen will und ihrem Freund aus Kindestagen, Galil, der alle Hände voll damit zu tun hat, seine draufgängerische Gefährtin vor Ärger zu bewahren. Die beiden gehören einer geheimen Rebellengruppe an, deren großes Ziel die Befreiung der Menschheit aus den Klauen der Dämonen ist. Nach und nach gesellen sich eurer Truppe einige weitere skurrile Gestalten hinzu, wie die neugierige Dämonin Vivian, die kein Problem damit hat, den Menschen bei ihrer Rebellion zu helfen, wenn sie dafür mehr über sie lernen kann. Die Gespräche und Zankereien zwischen den einzelnen Partymitgliedern sind zwar unterhaltsam, aber leider auch sehr repetitiv. Das liegt zum einen daran, dass keine der Figuren sich während des Abenteuers wirklich weiterentwickelt, und zum anderen, dass fast alle weiblichen sowie männlichen Hauptcharaktere das gleiche Wesen haben. Azura, Vivian und Rachel sind beispielsweise allesamt neugierig, abenteuerlustig und etwas naiv, während ihre männlichen Begleiter Galil, Ignace und Gene eher von der ruhigeren Sorte sind und möglichst keine Unannehmlichkeiten haben wollen. Die durchaus interessante Story mit einigen spannenden Wendungen leidet gelegentlich unter den etwas halbherzig ausgearbeiteten Charakteren, die oft vorhersehbar reagieren und selten von ihren gewohnten Handlungsabläufen absehen. Demgegenüber steht ein komplexes Kampfsystem, das den einen oder anderen erfahrenen Rollenspieler interessieren könnte.

Stellungskämpfe

Die weitläufige, abwechslungsreiche Spielwelt ist handlungsbedingt durch die große Barriere in verschiedene Bereiche eingeteilt, zu denen euch im Spielverlauf nach und nach der Zutritt gewährt wird. Städte, Wälder und verschiedene Gildentürme lassen sich von hier aus ansteuern. Gegner streifen sichtbar auf der Oberwelt umher und verfolgen euch bei Sichtkontakt. Berührt ihr einen Gegner, startet ein rundenbasierter Kampf.

Das Levelup- und Kampfsystem ist allerdings etwas anders, als ihr es von den meisten klassischen JRPGs kennt und benötigt eine umfangreichere Erklärung. Eure Charaktere haben kein klassisches Level, das sich durch Erfahrungspunkte steigern lässt, die meisten Stats wie der Verteidigungswert lassen sich lediglich durch die aktuelle Rüstung beeinflussen. Die maximalen HP (Health Points) und SP (Skill Points, werden für Spezialangriffe verwendet) eurer aktiven Kämpfer werden gelegentlich zufällig nach einem Kampf erhöht, die Stärke eurer Angriffe steigt jedoch nur, wenn ihr sie oft benutzt, ähnlich wie in Final Fantasy II und den SaGa-Spielen. Zwar kann prinzipiell jeder Charakter jede Waffe mit sich führen und so auch jede beliebige Rolle im Kampf einnehmen, allerdings „bestraft“ das Spiel euch für eure Experimentierfreudigkeit.

Zusätzlich zu ihren Statuswerten nehmen auch die Stellung und die Position eurer Charaktere Einfluss auf deren Angriffs- und Verteidigungswerte. Ihr könnt jeden Charakter vorne, mittig oder hinten auf dem Kampffeld platzieren und ihm zusätzlich die Stellung Angriff, Verteidigung oder Support einnehmen lassen. Kämpfer, die weiter hinten auf dem Schlachtfeld stehen, bekommen einen Verteidigungsbonus und werden von den Gegnern seltener angegriffen, sodass ihr hier eure weniger kräftig gebauten Charaktere wie euren Heiler positionieren solltet. Euer Tank, der idealerweise die höchste Verteidigung hat und die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich ziehen soll, steht am besten weiter vorne. Wie bereits erwähnt leveln eure eingesetzten Angriffe mit ihrer Benutzung, lasst ihr Galil also oft den Schwertangriff „Schwerttanz“ ausführen, wird dieser mit der Zeit stärker. Dies gilt jedoch nur für die aktuelle Stellung. Jeder Angriff hat demnach drei verschiedene Level, sodass es nicht ratsam scheint, die Stellung eines Charakters häufig zu wechseln. Auch ein Waffenwechsel fordert große Zeitinvestitionen, da neue Angriffe zwar zufällig, aber nur innerhalb der verwendeten Waffenkategorie erlernt werden. Um einen neuen Lanzenangriff zu lernen, muss euer Charakter also wiederholt Lanzenangriffe verwenden. Zusätzlich bekommt jeder Charakter, der aktiv an einem Kampf teilnahm, danach ein paar Talentpunkte, die ihr für die Aktivierung verschiedener Talente verwenden könnt, die oft an eine bestimmte Waffe gebunden sind. So lassen sich zum Beispiel die SP-Kosten für Schwertangriffe dauerhaft um einen bestimmten Betrag senken. Wollt ihr nicht viel Zeit mit Grinding verbringen, müsst ihr euch demnach früh eine Standardformation überlegen, die ihr über das Spiel beibehaltet und nur in Notfällen abändert (zum Beispiel wenn das Spiel euch für eine gewisse Zeit den Zugriff auf einen Teil eurer spielbaren Charaktere verwehrt).

Eine geeignete Formation kann an einigen Stellen im Spiel den Schwierigkeitsgrad rigoros beeinflussen. Ihr könnt noch so viel trainiert haben, ist eure Formation taktisch ungünstig, macht euch jeder Standardgegner platt. Habt ihr allerdings ein wenig nachgedacht, können euch selbst die imposanten Bosse kaum etwas anhaben. Unabhängig davon gibt es allerdings ein paar Stellen im Spiel, an denen der Schwierigkeitsgrad für kurze Zeit rasant ansteigt, nur um danach wieder abzuflachen. Es empfiehlt sich generell, oft zu speichern, da The Alliance Alive keine Autosave-Funktion hat und bei einem Ableben alle nicht gespeicherten Fortschritte verloren sind. In besonders kniffligen Fällen kann die Verwendung eines verheerenden Final Strike helfen: Während des Kampfs füllt sich für jeden Charakter nach erfolgreichen Angriffen und eingesteckten Treffern die Ignition-Leiste. Einmal gefüllt, kann der Charakter mit ihr eine gewaltige Spezialattacke ausführen, die allerdings die aktuell verwendete Waffe bricht. Da jeder Charakter zwei Waffen gleichzeitig ausrüsten kann, seid ihr nach einem Final Strike zwar nicht vollkommen wehrlos, aber eine zerbrochene Waffe kann nur bei der Schmied-Gilde gegen einen gehörigen Obolus repariert werden.

Die Nebensächlichkeiten

Was wäre ein JRPG ohne Nebenaufgaben? Auch in The Alliance Alive gibt es neben der Befreiung der Menschheit natürlich einiges zu tun. Die obligatorischen Sidequests in Form von Bitten und Forderungen der NPCs, die euch für eure Bemühungen entlohnen, sind hier aber eher rar gesät. Das Herzstück der optionalen Tätigkeiten bildet das Gildensystem. Ihr könnt eine Allianz mit allen fünf zur Verfügung stehenden Gilden bilden und durch Storyfortschritt, spezielle Sidequests oder die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen Leute für diese rekrutieren. Die Gilden werden sich dafür revanchieren, indem sie euch im Kampf zur Seite stehen: Seid ihr beispielsweise während eines Kampfes im Einflussbereich eines Quartiers der Schmiedgilde, wird diese gelegentlich in den Kampf eingreifen und eure Gegner unter Beschuss nehmen. Andere Gilden halten diverse Buffs für euch und Debuffs für eure Gegner bereit.

Der große Umfang und das interessante Gameplay machen den Großteil der positiven Punkte des Spiels aus. Grafisch muss sich The Alliance Alive allerdings auch nicht unbedingt vor seinen Konkurrenten verstecken. Der bei 3DS-JRPGs gern verwendete Chibi-Look, der Menschen mit überproportionierten Köpfen und großen Augen darstellt, wird auch hier eingesetzt. Die Umgebungen sind abwechslungsreich gestaltet und größtenteils schön anzusehen, ohne den 3DS technisch je voll auszureizen. Trotzdem wurde wie in letzter Zeit üblich auf die Implementierung des 3D-Effekts verzichtet. Auf dem New 3DS, auf dem die Testversion gespielt wurde, läuft das Spiel flüssig. Leider kann der C-Stick des New 3DS nicht zum Schwenken der Kamera auf der Oberwelt verwendet werden, auch Besitzer des neuen 3DS-Modells müssen hierfür mit den Schultertasten vorlieb nehmen.

Während ihr zu Fuß, auf einem skurrilen Gleiter oder mit einer futuristischen Yacht in der etwas melancholischen Spielwelt unterwegs seid, in den abwechslungsreich gestalteten Dungeons Rätsel löst und euch mit diversen Biestern anlegt, werdet ihr musikalisch meist von mal besser, mal schlechter passenden Ambient-Tracks begleitet. Eine Sprachausgabe bietet das Spiel nicht und die Bildschirmtexte sind lediglich auf Englisch verfügbar, mit Schulkenntnissen in Englisch ist die Story aber problemlos nachvollziehbar.

Fazit:

The Alliance Alive ist ein ordentliches Old-School-JRPG mit einem etwas anderen Levelup- und Kampfsystem. Trotz vieler guter Ideen, von denen manche besser umgesetzt wurden als andere, kommt das 3DS-Spiel etwas spät und hat zudem sehr viel hochkarätige Konkurrenz auf dem altgedienten Handhelden. Unausgereifte Charaktere und Quasibestrafung für das Experimentieren mit verschiedenen Formationen sowie Balancing-Probleme verhindern, dass der geistige Nachfolger von The Legend of Legacy markant aus der Masse heraussticht. Wenn euch die Story zusagt oder ihr vom vielschichtigen Kampfsystem angetan seid, könnt ihr vor einem Kauf aber auch selbst Hand anlegen und die kostenlose Demo aus dem eShop herunterladen, in der ihr den Anfang des Spiels ausprobieren könnt. Auch das volle Spiel ist in Europa nur im eShop erhältlich.

Unsere Wertung:
7.0
Deniz Üresin meint: "The Alliance Alive ist ein weiteres JRPG, das an die alten Zeiten erinnern will, aber neben einem interessanten Kampfsystem und einer tollen Spielwelt auch mit ein paar Problemen aufwartet."
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1 Kommentar:
Tobsen)
Tobsen
Am 05.06.2018 um 22:53
Mittelmäßige JRPGs haben es bei der erdrückenden Konkurrenz auf dem Gerät echt sehr schwer. Das rein digitale Erscheinen ist dann (zusätzlich) für mich ein K.O.-Kriterium.
Schade irgendwie. So ein Titel wäre zum Launch gut - 2011 hätte das Spiel gefühlt jeder gekauft.
Denios)
Denios
Am 06.06.2018 um 13:17
das stimmt... und das ist auch etwas schade, weil trotz seiner Fehler gibt es sicher einige Leute, denen das Spiel wirklich sehr gefallen hätte. Mir hat es ja auch größtenteils Spaß gemacht