Test

Meisterdetektiv Pikachu

Von Deniz Üresin am 09.04.2018

Ihr wollt knifflige Fälle lösen, einer spannenden Story mit vielen Intrigen und unvorhergesehenen Wendungen folgen und dabei eine Freundschaft zu einem sehr ungewöhnlichen, aber auch irgendwie liebenswerten Pikachu aufbauen? Zumindest letzteres könnt ihr in Meisterdetektiv Pikachu für den Nintendo 3DS tun. Für alles andere ist das nur bedingt interaktive Abenteuer eher weniger geeignet.

Super RTL lässt grüßen

Unsere Geschichte beginnt mit einem Jungen namens Tim Goodman. Er heißt aber nicht nur wie ein stereotypischer Protagonist eines familienfreundlichen US-Cartoons, er sieht auch so aus und verhält sich so. Tim ist auf der Suche nach seinem Vater Harry, einem kürzlich verschwundenen Detektiv. Seine Spuren führen den jungen Ermittler in spe nach Ryme City, einer hippen Großstadt, in der Menschen und Pokémon friedlich zusammen wohnen – bis auf einige Vorfälle in letzter Zeit, in denen friedliebende Pokémon urplötzlich und ohne erkennbaren Grund in Rage gerieten und eine Gefahr für ihr Umfeld darstellten. Wie es der Zufall will, ermittelte Tims verschwundener Vater in genau jener Angelegenheit, zusammen mit seinem Partner, einem gewitzten Pikachu. Und wie es ein weiterer Zufall will, begegnet Tim eben jenem Pikachu und löst mit ihm auch direkt einen Fall. Das neue dynamische Duo wird Zeuge, wie eine Bande von Griffeln einem Mädchen eine Kette klaut. Dabei ist Pikachu eine gewaltige Hilfe, denn es kann die in der Stadt umherlaufenden Pokémon nach Indizien befragen, während Tim sich die menschlichen potenziellen Zeugen vorknöpft. Wie das Pikachu nun aber seine gesammelten Aussagen sowie seine Detektiv-Weisheiten mit euch teilen kann, fragt ihr euch? Auch hier wurde tief in die Cartoon-Trickkiste gegriffen, denn glücklicherweise kann das Pikachu reden – wenn auch nur mit Tim. 

Des Rätsels Lösung

Das kaffeesüchtige Pikachu mit der tiefen Stimme beschließt, euch unter seine kleinen, gelben Fittiche zu nehmen und zu einem Detektiv auszubilden, damit ihr ihm bei der Suche nach Harry helfen könnt. Fortan löst ihr also zusammen mit eurem etwas griesgrämigen kleinen Freund alle Fälle, in denen Unruhe stiftende Pokémon vorkommen und sammelt Spuren, die euch zu Tims Vater führen. Das Vorgehen ist dabei in jedem Fall gleich: Zuerst werden alle Zeugen ausführlich befragt und der Tatort unter die Lupe genommen. Jede wichtige Aussage und alles, was ihr dabei entdeckt, wird automatisch von Tim in seinem Notizbuch festgehalten, sodass ihr jederzeit Zugriff auf eure Errungenschaften habt. Gelegentlich gibt es kleine Quick-Time-Events, in denen ihr eine Taste entweder rechtzeitig oder schnell wiederholt drücken müsst. Diese sind nicht sonderlich schwierig, Versagen wird aber trotzdem keineswegs bestraft, ihr dürft es in einem solch unwahrscheinlichen Fall einfach direkt noch einmal versuchen.

Genauso verhält es sich mit dem Stand der Ermittlungen und dem Lösen der Fälle: Wenn Pikachu der Meinung ist, dass ihr genügend Hinweise gefunden habt, bittet es euch, diese in geeigneter Weise zu verknüpfen. Dazu müsst ihr meist die gesammelten Hinweise und Spuren auf dem Bildschirm in den entsprechenden Lücken einfügen, wobei euch der kleine Schlaumeier schnell darauf hinweist, wenn ihr etwas falsch gemacht habt. Der quasi nicht vorhandene Schwierigkeitsgrad macht aus dem angeblichen Detektivspiel leider eher eine Visual Novel, in der ihr von Gespräch zu Gespräch laufen und gelegentlich den Anweisungen auf dem Bildschirm folgen müsst. Wer vor dem Finden aller Hinweise schon auf den Täter gekommen ist, hat aber leider keine Möglichkeit, das Spiel abzukürzen - habt ihr nicht wirklich alle Hinweise, die Pikachu von euch für die Lösung des Falls verlangt, müsst ihr weiter Dinge und Leute anklicken. Lustigerweise bietet Meisterdetektiv Pikachu aber auch noch zusätzlich einen „einfachen Modus“, in dem ihr tatsächlich gar nichts mehr selbst machen müsst, da Pikachu euch dort einfach direkt alle Lösungen vorsagt, sodass überforderte Spieler (wenn das denn überhaupt möglich ist) die Story genießen können, ohne Angst vor zu großen spielerischen Hürden haben zu müssen.

Gute Unterhaltung… für die Kleinen

Die Story kann durchaus überzeugen – zumindest einen Sechs- bis Zehnjährigen. Der Cartoon-Artstyle und die familienfreundlichen Fälle, in denen natürlich keine Morde oder Ähnliches vorkommen, sondern lediglich kleinere Diebstähle und Betrügereien, bei denen nie jemand ernsthaft zu Schaden kommt, zeigen bereits deutlich, wo die Reise hingeht: Das Spiel ist nichts anderes als eine (leicht) interaktive Zeichentricksendung, die auf Kinder im Grundschulalter zugeschnitten ist. Die Cutscenes und vor allem das neunmalkluge Pikachu sind mit viel Liebe zum Detail animiert, die Schauplätze sind abwechslungsreich, ihr interagiert mit vielen verschiedenen Pokémon und lernt ihre Eigenheiten kennen. Der Nintendo 3DS dürfte in einigen Szenen sogar leicht an seine Grenzen kommen, was ein Grund der Entwickler für den Verzicht auf den 3D-Effekt sein könnte. Leider gibt es im Präsentationsbereich aber auch einen heftigen Einschnitt – die tolle Synchronisation ist nur auf Englisch verfügbar, dazu gibt es deutsche Untertitel. Das ist generell kein Problem in Videospielen und eher gang und gäbe, Voiceovers in verschiedenen Sprachen sind schließlich aufwändig und teuer, aber ein großer Teil der bereits erwähnten Grundschüler, die offensichtlich die Zielgruppe dieses Spiels sein sollen, wird den Gesprächen in den Cutscenes auf Englisch nicht folgen und die deutschen Untertitel nicht so schnell lesen können. Gerade hier wäre eine deutsche Sprachausgabe also durchaus angebracht gewesen. Ebenfalls unverständlich ist die inkonsequente Einbindung des Touchscreens ins Spielgeschehen. Gelegentlich ist es möglich, Dinge auf dem unteren Bildschirm anzutippen um mit ihnen zu interagieren, an anderen Stellen jedoch nicht. Das ist vor allem nervig, wenn man einen Cursor über den Bildschirm mit dem Schiebepad bewegen muss, obwohl das mit einem Stylus deutlich eleganter und vor allem schneller gegangen wäre. Hier wurde viel Potential verschenkt, den Spielern das kleine Bisschen Interaktion, das man ihnen gelassen hat, so angenehm wie möglich zu gestalten. 

Fazit:

Meisterdetektiv Pikachu nimmt den Spieler an die Hand und lässt diese nicht wieder los. Die kindgerechten Rätsel werden fast komplett vom Titelhelden gelöst, obwohl sie nicht einmal wirklich schwer sind. Es wurde zwar einerseits viel Wert darauf gelegt, ein Spiel zu produzieren, das in Sachen Story und Animationsqualität mühelos mit aktuellen Zeichentrickserien mithalten kann. Andererseits wurde es jedoch verpasst, die Sprachausgabe an die Zielgruppe anzupassen, von der nicht wenige noch nicht über ausreichende Englischkenntnisse verfügen dürften, um dem Spielgeschehen problemlos zu folgen.

Das Spiel an sich bietet keinerlei Herausforderungen und auch keinerlei Freiheiten, ist recht kurz und hat als einziges positives Argument das „lustige“ Detektiv-Pikachu vorzuweisen. Dessen viele aufwändig animierten Sequenzen sind aber auch nur lustig, wenn man selbst noch nicht die Grundschule verlassen hat, da so gut wie alle Gags nach dem „Jemand-rutscht-auf-einer-Bananenschale-aus“-Prinzip funktionieren. Meisterdetektiv Pikachu sieht schlichtweg kein Land gegenüber der Professor-Layton-Reihe, die echte Rätsel und eine auch für Erwachsene einigermaßen interessante Story bieten kann, ohne dabei ihre Familientauglichkeit aufzugeben.

Unsere Wertung:
4.5
Deniz Üresin meint: "Meisterdetektiv Pikachu ist eine kaum interaktive Zeichentrickserie, die höchstens achtjährige Kinder begeistern kann."
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4 Kommentare:
Enigma22)
Enigma22
Am 10.04.2018 um 13:28
Das war absehbar.
Nintendofan)
Nintendofan
Am 10.04.2018 um 23:41
Oha, so schlecht hat das Spiel noch niemand bewertet^^ Schnitt liegt ja deutlich höher.
mega)
mega
Am 11.04.2018 um 19:06
Das Spiel ist auch bei weitem nicht so schlecht wie es hier wiedergegeben wird. Da muss jemand eine Abneigung gegen den Hauptdarsteller des Spiels haben ^^. Klar es ist von einem Highlight weit entfernt, aber diese Wertung ist echt der Hammer...
Tobsen)
Tobsen
Am 12.04.2018 um 11:55
Ich will das für Switch!
Das Spiel hat einen charming Hauptcharakter und die Story klingt echt spannend - allerdings wollte ich meinen 3DS irgendwann auch mal wegräumen...