Sowohl Sony als auch Microsoft haben im Umfeld der E3 substantielle Hardware-Upgrades angekündigt. Die PlayStation 4 Neo und die Xbox One Scorpio sind gerüstet für 4K und Virtual Reality - doch alle Spiele sollen angeblich auch auf den alten Konsolen lauffähig bleiben. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Heimkonsolen innerhalb einer Generation durch eine komplett neue Hardware ausgetauscht werden. Doch was genau bewegt die beiden Großkonzerne zu diesem Schritt?

"Ich weiß nicht, wer den Konsolenkrieg gewinnen wird - aber es ist wahrscheinlich, dass Nintendo als letzter übrig bleibt". Diese heute weitestgehend vergessene Aussage tätigte Satoru Iwata vor sehr langer Zeit, als die Wii gegen Sony und Microsoft an Boden verlor. Doch vielleicht ist diese E3 ein guter Zeitpunkt, sich an diese Worte zu erinnern.

Nur ein dummer Schrei nach Liebe?
Die Verkaufszahlen für Heimkonsolen befinden sich im freien Fall. Sony musste sich nach 155 Millionen PS2s mit 80 Millionen PS3- und 40 Millionen PS4-Konsolen begnügen, Microsofts Verkaufszahlen wurden gar innerhalb eines Generationenwechsels geviertelt. Und auch der immer noch sehr erfolgreiche 3DS verkauft sich nicht einmal halb so gut wie sein Vorgänger. Innerhalb von unter 10 Jahren sind die Verkaufszahlen also um 50% geschrumpft - doch gleichzeitig steckt die Industrie immer mehr Geld in immer aufwendigere Produkte. Die Reaktion auf die sinkenden Verkaufszahlen ist nicht etwa eine konsequente Kürzung des Budgets, sondern eine Übertaktung der Geldverbrennungsmaschinerie: Noch bessere Grafik, noch mehr Teraflops (was ist überhaupt ein Teraflop?), noch höhere Auflösungen und natürlich VR sollen die Kunden zurückgewinnen. Ob sich 4K-Fernseher und VR-Headsets überhaupt durchsetzen werden, weiß derweil noch niemand - nach den vor einigen Jahren so stark beworbenen 3D-Fernsehern kräht jedenfalls kein Hahn mehr. Die Blase wird immer größer, und niemand weiß ob sie irgendwann platzt.

Während die Hardware-Hersteller ihren R&D-Abteilungen immer mehr Geld zur Verfügung stellen, sind die fallenden Verkaufszahlen am Software-Angebot bereits deutlich abzulesen. Einst große Publisher wie Atari, Midway oder THQ mussten im Laufe der letzten Konsolengeneration Insolvenz anmelden. Andere, vor allem aus Japan, haben sich aus dem Markt der Großproduktionen fast komplett zurückgezogen: Konami, Capcom und Bandai-Namco stemmen eigentlich keine Großprojekte mehr. Das Ergebnis: Das Spiele-Angebot der Konsolen besteht fast nur noch aus den Mega-Blockbustern auf der einen und Low-Budget-Produktionen auf der anderen Seite. Spiele wie Wild Arms 3 oder Dark Chronicle, die abseits vom Mainstream existierten, aber trotzdem aufwendig produziert waren, gibt es nicht mehr. Die große Ausnahme von dieser Regel bildet der 3DS: Atlus würde nicht Etrian Odyssey V entwickeln, wenn die Handheld-Nischenserie nicht tatsächlich funktionieren würde. Und auch Capcom scheint sehr zufrieden mit den Verkaufszahlen der Monster Hunter-Serie zu sein. Nintendo mit Fire Emblem und Pokémon sowieso. Der Grund liegt auf der Hand: Durch die einfachere Hardware fressen selbst derart umfangreiche Spiele nur so wenige Ressourcen, dass sie immer noch lukrativ sind. Und unter gewissen Umständen könnte Nintendo diese Stärke für sich nutzen.

Sony und Microsoft haben sich mit dieser E3 praktisch den kalten Krieg erklärt. Doch während die beiden Entertainment-Giganten ihre Atomwaffen aufeinander ausrichten, kuschelt Nintendo weiter mit seinen Plüschsoldaten. Viele Stimmen prognostizieren, dass sich Nintendo 2017 den Vergleich zwischen NX, PS4 Neo und Scorpio gefallen lassen muss - und in diesem Rahmen erneut baden geht. Doch muss es wirklich so kommen? Das Echo zu Scorpio und Neo ist eigentlich eher negativ: Vor allem Spieler, die sich ihre neue Konsole erst vor kurzem gekauft haben, sind nicht erfreut über die Ankündigungen. Und wenn selbst die Fans nicht unbedingt bereit sind, das Wettrüsten zu finanzieren, wird sich der Massenmarkt noch schwerfälliger präsentieren. Kürzere Lebenszyklen und noch teurere Hardware sind sicherlich keine Argumente, mit denen sich verlorene Kunden zurückgewinnen lassen. Wenn Nintendo mit NX hingegen tatsächlich den immer wahrscheinlicher werdenden Hybriden mit sparsamer Hardware ins Rennen schickt, könnte die neue Plattform die Handheld-Kundschaft in die nächste Runde mitnehmen - und mit ihr die Dritthersteller, die ihre Projekte derzeit für den 3DS entwickeln. Wir können die Zukunft nicht vorhersagen, aber wahrscheinlich ist sie deutlich weniger eindeutig, als viele Stimmen uns derzeit glauben machen.