Kingdom Come: Deliverance
Der König ist tot – lang lebe der König! Das Mittelalter-Epos beginnt wie so viele Geschichten um Könige und Ritter. Karl IV. galt als größter und gütigster Herrscher von Böhmen, das im Herzen Europas gelegen war und als eines der Zentren des Heiligen Römischen Reichs galt. Unter seiner Regentschaft herrschte Frieden und Wohlstand, niemand musste um sein Leben fürchten, niemand musste hungern. Sein Tod brachte nicht nur große Trauer mit sich, sondern löste auch einen Machtkampf um seinen Thron aus. Der rechtmäßige Erbe, Wenzel, war aufgrund seines Lebensstils mehr als ungeeignet, sich dieser Würde anzunehmen und so trat Karls Halbbruder Sigismund auf den Plan, der die Krone nur zu gerne selbst inne hätte. Auf dem Weg zum Besitz des Königreichs muss er viele Ländereien durch brutale Raubzüge in seinen Besitz bringen und natürlich führt einer dieser Raubzüge auch in das Dorf von Heinrich.
Der Sohn des Schmieds
Heinrich ist der Protagonist des Spiels und Sohn eines sehr angesehenen Schmieds. Sein idyllisches Dorfleben wird von heute auf morgen aus dem Gleichgewicht gerissen, alle weiteren Bewohner des Dorfes verlieren bei dem Angriff Sigismunds ihr Leben. Heinrich entkommt knapp, muss aber den Tod seiner Eltern mit ansehen. Von diesem Zeitpunkt an schwört er Rache und will alles dafür tun, den Tod seiner Eltern nicht ungesühnt zu lassen.
Der Beginn des Spiels dient als Tutorial und führt den Spieler in den ersten Spielstunden in die Welt von Kingdom Come ein. Es handelt sich hierbei um ein storybasiertes Open-World-Rollenspiel, das zwar einem roten Faden folgt, jedoch genügend Freiraum für eigene Erkundungen zulässt. Gespielt wird aus der Ego-Perspektive. Dabei folgt Heinrich zum Vorantreiben des Spielgeschehens stets einer Hauptquestreihe und nimmt zusätzlich unterschiedliche Nebenaufgaben an. Im Startdorf, als im Spiel noch alles friedlich zu sein scheint, erlernt er die Grundmechaniken des Spiels. Erste Sammelaufgaben, kleinere Kämpfe und damit der erste Kontakt mit dem Schwert zählen zu Heinrichs Aufgaben. Nun nimmt die Geschichte Fahrt auf und ihr müsst aus dem Ort fliehen. Bis zum eigentlichen Beginn des Spiels, wenn ihr erstmals selbst einige Quests abseits der Haupthandlung annehmen dürft, vergehen allerdings einige Spielstunden.
Dann zeigt sich Kingdom Come: Deliverance allerdings weniger als altbekanntes Rollenspiel - vielmehr entfaltet sich hier eine Mittelalter-Simulation. Das zeigt sich in vielen kleinen Details: Heinrich wird müde und hungrig; Verletzungen, egal woher diese stammen, verschwinden nicht von alleine. Ihr müsst ständig auf der Suche nach Nahrung bleiben und gleichzeitig eure Müdigkeit im Auge behalten. Wunden müssen entweder selbst verarztet werden, sofern ihr euch diese Fähigkeiten aneignet, oder mit der Hilfe anderer Personen behandelt werden. Dazu kommt, dass die verschiedenen Items nicht zuhauf in der Gegend herumliegen, sondern mühevoll gesammelt werden müssen. Ein einfacher Apfel oder ein Stück Brot können in Kingdom Come überlebenswichtig sein. Das Spiel zeigt sich wirklich herrlich authentisch und man fühlt sich von Beginn an in die Zeit um 1400 zurückversetzt.
Willkommen im Mittelalter
Aber auch Waffen, Rüstungen und andere Gegenstände wird Heinrich nicht einfach am Straßenrand finden. Entweder er kauft sie bei einem Händler oder verdient sich diese im Kampf. Waffen nutzen sich zudem ab, können aber durch eigenes Geschick nachgeschliffen werden. Geld ist ohnehin sehr rar gesät und so muss man die eigenen Finanzen stets im Blick behalten. Die Kasse ist bei Bedarf aber immer schnell aufgefüllt. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Taschendiebstahl und Plünderungen sind zwar schnell erlernt und durchaus rentabel, können aber zum Kerker führen. Und dort verbringt ihr dann wirklich eine Zeit lang, sofern ihr euch nicht freikaufen könnt.
Heinrich sollte aber auch auf dem gesetzestreuen Weg nie langweilig werden, denn durch die vielen Quests und Minispiele gibt es immer etwas zu tun. Die Aufgaben reichen von kleineren Botengängen bis hin zu dubiosen Grabräuberaufträgen. Dabei gibt es oftmals unterschiedliche Möglichkeiten, um mit einer Aufgabe fertig zu werden. Außerdem sind einige Quests miteinander verstrickt, sodass ihr euch durch das Lösen einer bestimmten Aufgabe eine andere erleichtern könnt. Ein Beispiel hierfür gibt es bereits ganz am Anfang des Spiels. Heinrich soll für seinen Vater Schulden eintreiben, um Kohle für das Schmiedefeuer zu kaufen. Er hat die Möglichkeit, den Schuldner mit sprachlicher Überredungskunst oder Schlägen dazu zu bringen, dieser „Bitte“ nachzukommen. Da man mit beiden Mitteln aber wohl keine Chance hat, gibt es eine dritte Möglichkeit. Drei Freunde von Heinrich bitten diesen, einen betrunkenen Deutschen für dessen Verhalten zu bestrafen und sein Haus mit Mist zu bewerfen. Geht ihr dieser Bitte nach, unterstützen die Freunde im Nachgang Heinrich beim Eintreiben der Schulden. Weitere solcher Situationen werden im weiteren Spiel noch oft anzutreffen sein und sorgen für einen ordentlichen Umfang. Um die einzelnen Orte von Böhmen nicht nur zu Fuß bereisen zu müssen, stehen auch Pferde zur Verfügung und außerdem darf eine Schnellreisefunktion benutzt werden.
Deftige Raufereien und knallharte Schwertkämpfe dürfen im Mittelalter natürlich auch nicht fehlen. Das Kampfsystem ist dabei ziemlich speziell und erfordert einige Übung. Es gibt verschiedene Angriffszonen, die mit dem rechten Controlstick ausgewählt werden können. Gleichzeitig kann Heinrich parieren, dem Gegner einen Tritt versetzen oder Angriffe blocken. Alle Aktionen verbrauchen Ausdauer und so ist jeder noch so kleine Kampf auch ein wenig von Taktik geprägt. Da die Steuerung leider nicht immer ganz genau ist, kann ein Kampf zu einer nervenaufreibenden Belastungsprobe werden. Das ist sicherlich nicht jedermanns Sache, passt aber zum vermittelten Setting. Heilung ist während des Gefechts ebenfalls nicht möglich und so kann ein verlorener Kampf zu einem weit entfernt gelegenen Speicherpunkt zurückführen. Auch das Bogenschießen, das Heinrich beherrscht, gestaltet sich alles andere als einfach, da der Spieler ohne Zielhilfe auskommen muss. So kann es vorkommen, dass ihr vorerst viele Pfeile ins Leere schießt, ehe ihr die Zielmechanik verinnerlicht habt. Kingdome Come: Deliverance ist unter dem Strich einfach eines dieser Spiele, in das ihr euch zunächst hineinarbeiten müsst, um alle Facetten des Titels kennen und auch schätzen zu lernen.
Ein Königreich für ein fertiges Spiel
Kingdom Come: Deliverance erfordert in allen Bereichen viel Geduld, viel Übung und auch ein wenig Frustresistenz. Das liegt nicht einmal am Schwierigkeitsgrad selbst, der durchweg relativ moderat ist und selten unfair wirkt. Es sind vielmehr die vielen kleinen und größeren Schönheitsfehler mit denen das Spiel immer wieder zu kämpfen hat. Die vielen kleineren Bugs, die auch während der Kämpfe hin und wieder auftreten, können unfreiwillig zum Abgang des Helden führen. Da die Speicherpunkte wie bereits erwähnt nicht immer ausreichend vorhanden sind, können unter Umständen mehrere Spielstunden für die Katz gewesen sein. Sowas kann ziemlich frusten und liegt auch am unzuverlässigen Speichersystem ansich. Das Spiel speichert zwar automatisch, jedoch scheint das teilweise absolut willkürlich zu geschehen. Ein manuelles Speichern kostet immer einen Gegenstand, von dem ihr jedoch nicht immer unbedingt einen parat habt. Dazu gibt es regelmäßige Aussetzer der KI zu belächeln, die manchmal zwar gerade in den Kämpfen auch mal zum eigenen Vorteil ausfallen können, jedoch hin und wieder als Störfeuer dazwischenfunken. Dann treffen plötzlich Schläge von Feinden, die eigentlich meilenweit neben Heinrich ins Leere zu gehen scheinen plötzlich den Helden und ziehen kostbare Energie ab. Da die Kamera im Prinzip in Heinrichs Kopf verankert ist, reißt der Bildausschnitt regelmäßig nach rechts und links, sobald unser Held verdroschen wird. Hin und wieder stirbt man daher, ohne so richtig zu wissen, was gerade überhaupt passiert ist. Auch bei den Zwischensequenzen lassen sich immer wieder unschöne Überschneidungen von Charakteren bestaunen, die zwar den Dialog nicht großartig stören, jedoch einfach nur unsauber programmiert wirken.
Überhaupt wirkt die gesamte Technik von Kingdom Come: Deliverance an vielen Stellen unausgereift und stellt den großen Knackpunkt des Spiels dar. Als Spieler bekommt ihr den Eindruck, dass die Entwickler schlichtweg nicht rechtzeitig fertig geworden sind - der Day-One-Patch über satte 20(!) Gigabyte ist zudem ohnehin Pflichtprogramm, um überhaupt beginnen zu können. Mehr als nur ärgerlich hierbei ist jedoch, dass es trotzdem immer noch viele Tonaussetzer, Lautstärkenprobleme, Probleme mit der Lippensynchronität einiger Dialoge und Sprecher gibt und das manche Situationen und Gespräche einfach nur verquer wirken. Zudem ist es auch gerade deswegen sehr ärgerlich, weil das Spiel prinzipiell mit einer sehr hochwertigen englischen und vor allem auch deutschen Sprachausgabe ausgestattet wurde, die eigentlich sehr viel Lob verdient hätte. So werdet ihr im Spiel unter anderem die Stimmen von bekannten Synchronsprechern aus Hollywood-Filmen (u.a. die deutschen Stimmen von Liam Neeson und Chris Pratt) und TV-Serien zu hören bekommen. Doch immer wieder torpedieren die Soundprobleme diese eigentliche Stärke des Spiels. Abseits dieser Audio-Probleme leiden aber wie bereits angesprochen auch die Kämpfe an den unsauberen Aktionen und Bugs des Spiels, die bisweilen auch zum Tod des Helden führen können. Weitere Patches sind bereits geplant, jedoch sollte ein Produkt für knapp 60 Euro fertig im Handel stehen - ob Indie-Entwickler oder großer Publisher. Das ist bei Kingdom Come Deliverance einfach leider nicht der Fall und sorgt für einen ständigen faden Beigeschmack, der den Spielspaß schon deutlich reduzieren kann.
Abseits der Fehler, Bugs und Ärgernisse sieht die Welt von Böhmen aber prinzipiell wunderschön aus. Die Wälder und Städte sind authentisch ausgestaltet, die Charaktere wirken lebensecht und jeder noch so unbedeutende Gegner strotzt nur so vor Details. Die Burgen bieten einen so schönen mittelalterlichen Flair, dass man sich an den alten Gemäuern und an den schönen kleinen Dörfern und Landschaften manchmal gar nicht satt sehen mag und gerne mal seine eigentlichen Aufgaben vergisst. Dennoch sind die technischen Probleme auch im grafischen Bereich zu finden: Neben dutzenden kleineren Grafikfehlern und generellen Problemen mit der Framerate müsst ihr euch vor allem mit vielen nervigen und wirklich drastischen Pop-ups auseinandersetzen. Zudem zehren die vielen und viel zu langen Ladezeiten regelmäßig an euren Nerven.
Die musikalische Untermalung passt hingegen immer bestens und bietet während der Streifzüge durch die Welt das passende Ambiente des Mittelalters. Daher ist es einfach umso ärgerlicher, dass die gut vertonten Dialoge durch die vielen kleinen Fehler im Spiel getrübt und unterbrochen werden. Wir hoffen, dass die Entwickler die technischen Unzulänglichkeiten doch noch in den Griff bekommen, denn dann steht einem zwar alles andere als perfekten, aber dennoch außergewöhnlichem Mittelalterspektakel kaum mehr etwas im Wege.
Fazit:
Kingdom Come: Deliverance ist ein absolut mutiges Projekt und dabei weniger ein klassisches Rollenspiel als vielmehr eine Mittelalter-Simulation, die den Spieler authentisch ins Jahr 1403 hievt. Das Spiel strotzt von vorne bis hinten vor viel Liebe zum Detail. Die tollen Landschaften, die wunderschönen Wälder und Burgen sowie die kleinen idyllischen Dörfer laden den Spieler auch abseits der Hauptstory zum Entdecken und Erkunden ein. Das Spiel verzichtet dabei auf Fantasyelemente wie Drachen und Monster und hält sich strikt an die Geschichte des Mittelalters. Dadurch entsteht ein authentisches Erlebnis, das wir so in einem Videospiel selten erlebt haben. Kingdom Come will aber erlernt werden und gibt man sich dem Spiel auch tatsächlich hin, dann hat man mit Sicherheit unzählige Stunden Spaß. Unfassbar und fast ein bisschen traurig macht da die technische Seite des Spiels. Das ganze Spektakel wirkt im aktuellen Zustand auf der Konsole unfertig und nicht einmal der überdimensionale Day-One-Patch kann die ganzen Glitches, Ruckler, Bugs, vereinzelten Quest-Fehler und Synchronpatzer halbwegs ausmerzen. Für viel Frust sorgt zudem auch das unzuverlässige, automatische Speichersystem des Spiels und die regelmäßigen Aussetzer der KI. Weitere Patches werden sicherlich daran arbeiten und das Spiel ist auch in der aktuellen Form noch meilenweit davon entfernt unspielbar zu sein, aber ein Produkt für 60 Euro darf so etwas eigentlich nicht bieten. Darüber hinaus fehlt es dem Titel innerhalb der Hauptstory ein wenig an Tiefe. Die authentische Grundgeschichte ist zwar nett, aber viele der angesprochenen Zeitgeschehnisse werden lediglich oberflächlich gestreift und die Vielzahl der eingeführten Charaktere bleiben eher blass. Wer über all das hinweg sieht, der bekommt das Mittelalter aber definitiv in seiner schönsten Form.
Von uns getestet: Xbox-One-Version
Nur zu der technischen Seite noch einen Hinweis: Soweit ich das mitbekommen habe unterscheidet sich die PC Version von den Konsolen Versionen ziemlich. Auch wenn meine FPS immer zwischen 40 und 50 auf hoher Einstellung schwankt, so bemerke ich Ruckler eigentlich nie und auch Popups sind keine vorhanden (oder soweit weg, dass ichs einfach nicht bemerke).
Kleinere aussetzer in Dialogen, Figuren die in einander laufen oder in der Luft schwebende Texturen gibts hier abundzu allerdings auch.
Und zum Speichern: Das Rezept zum Brauen des Speicheritems hat man anscheinend von Anfang an, auch wenn die Entzifferung dessen ohne Leseskill etwas mühsam ist. Da ich die eine Zutat aber noch nicht finden konnte (hab aber auch nicht großartig danach gesucht), hab ichs noch nicht versucht zu brauen.
Ansonsten ist das automatische Speichersystem doch recht zuverlässig? Immer wenn man einen signifikanten Questforschritt zu verzeichnen hat oder mindestens eine Stunde in einem Bett geschlafen hat.
Gibt aber für die PC Version wohl schon einen Mod um jederzeit ohne das Item manuell Speichern zu können.
Und ich muss einfach sagen, auch wenns total bekloppt klingt, die kleineren Fehler geben diesem Spiel einen besonderen Charme. Das Spiel spielt nicht nur im Mitterlalter, sondern das Interface wirkt auch eher rustikal und die Bugs schieben das Spiel irgendwie auch technisch ins Mittelalter der Gamegeschichte, wenn man das so sagen kann.
Ein Witz ist allerdings der Inhalt der Collectors Edition! Das Artbook ist mal kaum als solches zu bezeichnen, die Statue sieht nach ganz billigem Plastik aus und die Stoffkarte ... naja ... Da würde ich mich echt ärgern Geld für bezahlt zu haben. Aber dank Amazons großzügiger Vorbesteller Preisgarantie habe ich das ganze Paket für 57€ erhalten! :-D