Der Kimishima-Effekt?
Ungläubig sitze ich vor meinem Fernseher, während ein unangenehmes Geräusch durch meine Kopfhörer tönt, das im Trommelfell schon leicht schmerzt. Und nein, ich habe mir nicht das neueste Album der Sportfreunde Stiller gekauft. Es handelt sich bei dem robotischen Knistern um die Sprachausgabe von Xenoblade Chronicles 2 - oder zumindest das, was noch davon übrig ist. Die Engine ist mit einer epischen Cutscene so sehr überfordert, dass die Hintergrundmusik nur noch mit einem massiven Stottern aus dem Lautsprecher kommt und die Sprachausgabe bis zur Unkenntlichkeit verzerrt ist. Dazu laufen Bild und Ton mit der Zeit mehrere Sekunden weit auseinander - das Bild hat "Vorsprung", die Audio-Spur kommt nicht mehr hinterher. Es ist schon spät und ich bin müde und frage mich, ob ich das alles gerade tatsächlich erlebe. Es ist eine unwirkliche Erfahrung - vor allem in einem von Nintendo gepublishten Spiel.
Woran liegt das? Tatsächlich sind viele Fans davon überrascht, dass Xenoblade Chronicles 2 schon 2017 auf den Markt kommt. Immerhin lagen zwischen den Releases des ersten Teils und Xenoblade Chronicles X fast fünf Jahre. Dem Switch-Titel kam, den Releasedaten nach zu urteilen, also nur eine etwa halb so lange Entwicklungszeit zugute. Und das merkt man durchaus an einigen Stellen: Vereinzelt treten immer wieder Probleme wie Framerate-Einbrüche mit einem klar wahrnehmbaren Zeitlupeneffekt, erst wenige Meter vor dem Protagonisten aufloppende Vegetation, verwaschene Texturen oder auch Sound-Aussetzer in der Hintergrundmusik auf. Auf Komfort-Features und motivierende Extras wie eine wirklich nützliche Karte, ein Bestiarium oder Ingame-Achievements (die es in Xenoblade Chronciles X alle gab) wurde verzichtet - vielleicht, um einen knappen und von der Chefetage vorgegebenen Entwicklungs-Zeitplan einhalten zu können. Zugegebenermaßen wurden die technischen Schwächen durch einen Day-One-Patch weitestgehend ausgemerzt - sie kommen zwar immer noch vor, aber seltener und deutlich weniger heftig als in der Pre-Release-Version. Die Strategie, noch einen Day-One-Patch zu entwickeln, während gleichzeitig schon die Module gefertigt werden, hätte aber ordentlich nach hinten losgehen können - nämlich dann, wenn Monolith den Umfang der noch notwendigen Arbeiten massiv unterschätzt hätte.
Ohnehin ist es nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass ein von Nintendo gepublishter Switch-Titel den finalen Feinschliff vermissen lässt. In der ersten Version von Breath of the Wild kam es, vor allem bei Kämpfen gegen Moblins in späteren Gebieten, zu zum Teil mehrere Sekunden langen Standbildern. Framerate-Probleme und Pop-Ups waren an der Tagesordnung - bis dahin für einen Zelda-Titel undenkbar. Im Sommer klagten Spieler von Mario Kart 8 Deluxe und wenige Monate später auch bei Splatoon 2 über ständige Verbindungsprobleme. Auch die Switch-Hardware selbst ist nicht wirklich ausgereift: Das Betriebssystem wirkt bis heute eher rudimentär, Features wie der Activity Log oder die auf anderen Konsolen verbreiteten Achievements bzw. Trophäen fehlen, es gab weit verbreitete Hardware-Probleme mit den JoyCons und insgesamt einfach zu wenige Konsolen. Aber vermutlich war es Nintendo wichtig, das Gerät unbedingt noch im Geschäftsjahr 2016 auf den Markt zu bringen, um den Investoren bessere Zahlen präsentieren zu können. Und ohne Zelda hätte es niemand gekauft, also musste auch das Spiel unbedingt ausgeliefert werden - trotz fehlenden Feinschliffs.
Es ist noch gar nicht allzu lange her, da hat Nintendo fast jedes seiner Spiele langwierig verschoben. Dafür gab es viel Kritik, aber am Ende kamen die Produkte technisch blankgeleckt auf den Markt: Pikmin 3, Donkey Kong Country: Tropical Freeze und auch spätere Titel wie Super Mario 3DWorld waren in dieser Hinsicht über jeden Zweifel erhaben. Selbst der Smartphone-App Miitopia wurde zusätzliche Zeit gewährt, damit sie im bestmöglichen Zustand auf den Markt kommen konnte. Und nun? Nun haben sich die Prioritäten offenbar verschoben, ein pünktliches Erscheinen ist wichtiger als die Ausgereiftheit des Spiels zum Releasetag. Ob das nun wirklich an Kimishima liegt, oder ob auch andere Figuren bei Nintendo dem Druck der Investoren nachgegeben haben, darüber kann man natürlich nur spekulieren. Aber Fakt ist: Eine Veränderung ist eingetreten.
Bisher gibt der Erfolg Nintendo recht. Praktisch alle anderen großen Publisher werfen schon seit Jahren unfertige Spiele auf den Markt, um sie in den ersten Wochen noch mit Patches zu versorgen, ohne von der Kundschaft dafür abgestraft zu werden. Auch bei Breath of the Wild waren vielen Spielern die technischen Mängel egal - einige verleugneten sie sogar und schoben die Framerate-Aussetzer auf angeblich defekte Konsolen oder seltsame Firmware-Eskapaden mit der W-Lan-Verbindung. Die Fachpresse schweigt das Problem ohnehin bereitwillig tot: In den meisten Reviews zu The Legend of Zelda und Xenoblade Chronicles 2 wurden die technischen Probleme nicht einmal erwähnt.
Außerdem müssen wir fairerweise feststellen, dass sich der Trend in den letzten Wochen wieder zum Positiven gewendet hat: An Fire Emblem Warriors, Super Mario Odyssey und - mit installiertem Day-One-Patch - auch an Xenoblade Chronicles 2 gibt es in technischer Hinsicht nur noch wenig auszusetzen. Und selbst die größten Negativbeispiele bieten immer noch deutlich weniger Angriffsfläche für Kritik als das, was die meisten anderen Publisher auf den Markt werfen - denn tatsächliche Gameplay-Bugs, die Sidequests unlösbar machten oder zu Spielabstürzen führten, gab es auch in Zelda nicht. Bei Bethesda hingegen gehören sie mehr oder weniger zum Standard.
Mittelfristig könnte die neue Firmenstrategie das Marktpotential der Hybrid-Konsole jedoch tatsächlich beeinträchtigen. Beispielsweise dann, wenn ein einflussreicher Streamer, der sich nicht auf Nintendo-Produkte spezialisiert hat und querbeet auf verschiedenen Plattformen spielt, potentiellen Neukunden einen First-Party-Titel vorstellt und dann plötzlich gravierende technische Probleme auftreten, während ein großes Live-Publikum zusieht und direkt den Mitschnitt auf Youtube hochlädt. Auch wenn dieses Ereignis ausbleibt, könnte der Bogen irgendwann überspannt sein - spätestens dann, wenn Nintendo bei Serien wie Mario oder Zelda seine Entwicklungszyklen verkürzt, um in jedem Geschäftsjahr einen neuen Flaggschiff-Titel präsentieren zu können. Denn für ein Spiel wie Breath of the Wild braucht es eben fünf Jahre oder noch länger, bis es wirklich ausgereift ist. Auch wenn einige der Investoren, die noch nie ein Gamepad in der Hand hielten und einfach nur stetige Dividenden sehen wollen, das sicherlich genausowenig wahrhaben möchten wie der ehemalige Investment-Banker Kimishima.
Auf der einen Seite sollten die Spiele schon "perfekt" auf den Markt kommen. Andererseits ist es auch ok, wenn ein Day One Patch die restlichen Probleme größtenteils behebt. Schön ist das sicher nicht, aber solange es nicht so extrem wie etwa bei wwe2k18 ist, ist es auch nicht extrem verwerflich...
Das ganze wirft zwar seine Schattenseiten auf Nintendo, letztendlich müssen sie das Risiko aber selbst abwägen...
- Sollte ich mal darauf achten. Ist mir ehrlich gesagt noch gar nicht aufgefallen. Ich schaue/höre demnächst mal genauer hin.
"motivierende Extras wie eine wirklich nützliche Karte, ein Bestiarium oder Ingame-Achievements" - Da stimme ich vollkommen zu, aber... ich glaube, Ingame-Achievments wurden in den Blades eingebaut in ihren Talentbaum. Da muss man bestimmte Dinge erfüllen, die es in Vorteilen als Erfolge gab. Richtiges Erfoglssystem wäre mir dennoch lieber.
Im Großen und Ganzen stimmt es schon, aber die Wirtschaft zeigt ja selbst: So etwas wollen Kunden nicht. Kunden wollen viel, schnell und unfertig haben. Spiele werden max. 20-30 Stunden gespielt und bei Seite gelegt und beschwert, dass nichts Neues auf dem Markt existiert. Als Kind habe ich x-mal Super Mario 64 auf 100% durchgespielt mit allen 120 Sternen. heute kauft sich jeder Odyssey, rusht da in 5 Stunden durch und ignoriert den Rest, weil... Credits liefen ja.
Nintendo hat nicht einmal die Möglichkeit, Spiele zu verschieben und Zeit zu investieren, weil kaum jemand noch sagt: "Breath of the Wild war geil. In 5 Jahren freue ich mich auf das neue auf der neuen Konsole." - Stattdessen denken viele jetzt schon Splatoon 3, Odyssey 2, etc. für die Switch.
Entweder ihr wartet Jahre auf ein Spiel und lebt mit zigfachen Verschiebungen, oder ihr bekommt ein verbuggtes, halbfertiges Spiel.
Es sollte einen goldenen Mittelweg geben. Also vielleicht nicht einfach mit einem Team entwickeln, das gerade so die Mindestgröße für das jeweilige Projekt hat und bei jeder Krankmeldung eines Entwicklers der Release verschoben werden muss. Keine Ahnung ob das in der Realität so ist aber ich denke wenn man mehr in die Entwicklerstudios investiert, dann könnten große Spiele in angemessenem Abstand und trotzdem hoher Qualität erscheinen.
Aber das ist wahrscheinlich Wunschdenken...
Was sollen solche Negativen Berichte???
Also ich Spiele Breath of the Wild seit dem 2.3.17 (das heißt also auch ohne Das One Patch) und muss sagen so etwas übertriebenes hab ich noch nie gelesen. Ja es kam ab und zu bei Kämpfen oder im Krogwald zu Microruklern aber bestimmt nicht zu Sekundenlangen Standbildern!!!
Und der Blödsinn über XC2 bezüglich versetzten Bild\Audio ,über den Reden wir besser gar nicht.
Mir kommt es so vor als ob der Autor die Switch\Nintendo nicht Mag und alles schlechtreden muss!!
Mit freundlichen Grüßen
N_Fan1512
Ein kurzer Blick ins Internet zeigt aber auch, dass der Autor mit diesen Problemen nicht alleine ist. Auch möchte ich ihm nicht ein bewusstes Schlechtreden der Switch oder gar der aktuellen Politik Nintendos unterstellen, hält er doch z.B. Nintendo auch zu Gute, Games nicht mit erheblichen Bugs auszuliefern, wie es andere durchaus handhaben.
Persönlich finde ich solche kontroverse/kritische Artikel auch mal ganz gut und sinnvoll. Und wie sich Nintendos Politik in Zukunft auswirkt wird sich zeigen. Kann imho zumindest sowohl positiv als auch negativ sein, wenn Nintendo den ein oder anderen streng konservativ gehandhabten Punkt aufgibt und sich eher an der Konkurrenz orientiert.
Kritische Artikel sind sicher auch nicht schlecht aber durch solch übertriebene Artikel wie den hier könnten sich Neueinsteiger von den sonst sehr gelungenen Spielen (besonders BotW) abschrecken lassen.
Mit freundlichen Grüßen
N_Fan1512
PS: Und ich versteht nicht warum man hier nicht seine Meinung sagen kann ohne ,dass man gleich als verblendet oder Troll beschimpft wird????
Haben Sie meinen Kommentar und den Artikel komplett gelesen??
Ich habe nirgendwo geschrieben dass es die Probleme nicht gibt, ich habe nur gesagt, dass es hier im Artikel übertrieben dargestellt wurde. Aber wenn Sie es genauer wissen ,dann sagen Sie mir wo es in BotW sekundenlange Standbilder wie hier beschrieben gibt???
Bei XC2 muss ich mich korrigieren es gibt tatsächlich leicht versetzten Ton in manchen Cutscenes die aber halb so schlimm sind und nicht etwa wie im Artikel Dargestellt!
"Die Engine ist mit einer epischen Cutscene so sehr überfordert, dass die Hintergrundmusik nur noch mit einem massiven Stottern aus dem Lautsprecher kommt und die Sprachausgabe bis zur Unkenntlichkeit verzerrt ist. Dazu laufen Bild und Ton mit der Zeit mehrere Sekunden weit auseinander - das Bild hat "Vorsprung", die Audio-Spur kommt nicht mehr hinterher."
In Welcher Scene Stottert die Hintergrundmusik und wo ist die Sprachausgabe bis zu Unkenntlichkeit verzerrt??
Genau wegen solchen Sachen gehören die Spiele (Bezüglich XC2) erst ab dem Releasetag getestet, denn es ist überhaupt nicht repräsentativ für ein Spiel, wenn bei Tests Fehler aufgezählt werden die dann bei Release schon durch einen Day One Patch behoben worden sind.
Mit freundlichen Grüßen
N_Fan1512
Durch die vielen Berichte im Forum hier, habe ich der Sache irgendwann besondere Aufmerksamkeit geschenkt und tatsächlich 2 Situationen gehabt in denen das Spiel eine Sekunde lang hing (und das dann auch direkt im Forum berichtet, weil ich Probleme in Spielen eben gerade nicht totschweige). Auch heute sackt die Framerate im Wald der Krogs noch spürbar ein, was schade, aber für mich persönlich nicht relevant ist. Die übliche Welt ist groß genug.
Auch bei den Joy Cons haben wir festgestellt, dass einige Leute Glück hatten und andere Leute ihre erst einsenden mussten, genauso wie einige wenige Leute (laut verschiedener Webseiten) durch Hitze verbogene Konsolen und angeschmolzene SD Karten zu beklagen hatten, während der Rest keine Probleme hatte.
Dementsprechend finde ich es eher unreflektiert, wenn man trotz all dieser Berichte lieber davon ausgeht, dass Leute Unsinn reden, als sich mit dem Gedanken zu befassen, dass die eigene Konsole nicht so gut läuft wie die anderer Leute.
Das aber nur zu diesem einen unglücklich formulierten Absatz. Ansonsten stimme ich dem Konsenz des Artikels zu, wobei man generell bedenken muss, dass Spiele immer größer und Fehlersuchen damit auch immer umfangreicher werden, sodass Patches und der damit verbundene "Image-Verlust" finanziell günstiger sind, als das Spiel länger als dringend nötig zu testen. Ist schade, aber die Zeiten der kleinen, billig gebastelten Spiele sind fast überall unwiederbringlich vorbei.