NplusX-Kommentar: Nintendo Treehouse live – (K)ein Format für die Zukunft
„Jetzt stampf doch endlich!“, will man Kindra zurufen. Seit 20 Minuten hüpft die Marketingfrau von Nintendo schon als Yoshi durch die kunterbunte Pappwelt des neuen Switch-Jump & Runs. Alle wissen mittlerweile, dass man in jedem Level zwischen einer Vorder- und einer Rückseite switchen kann. Doch dieses Gameplay-Feature halten die Moderatoren zurück. Bewusst. Denn sie müssen mit der Demo ja eine halbe Stunde vollbekommen. Und deswegen ballern sie minutiös jeden Shy Guy in der niedlichen Kulisse ab, bevor sie dann, endlich, die gleiche Stage nochmal von der anderen Seite durchspielen.
Drei Tage Nintendo pur: Das geht auf die Knochen
Das Beispiel ist bezeichnend für Nintendos E3-Programm. Das Live-Streaming ist mitunter ermüdend und ewig lang. Kein Mensch weiß, welches Spiel als nächstes kommt, ob es sich also zu warten lohnt. Und weil es mitten in der europäischen Nacht läuft, fallen irgendwann die Augen zu.
Auch 2017 sendete Nintendo wieder drei Tage lang live aus dem „Treehouse“. Es ist seit 2012 fester Teil von Nintendos E3-Auftritten. Damals gab es noch jeden Tag ein halbstündiges Live-Programm. Erst ab 2014 hat sich das Format zu einer Art Ersatz für eine klassische Pressekonferenz entwickelt, mit einem dreitägigen je gut sechs Stunden langen Live-Programm. Das gipfelte 2016 darin, dass es gar keine klassischen Ankündigungen mehr gab. Dort, wo alle schnell die wichtigsten E3-Sensationen erwarteten, fanden sie zunächst eine halbe Stunde lang todlangweiliges Pokémon-Live-Gameplay. Das ging völlig in die Hose.
So viel Pomp und Inszenierung, wie Nintendo sich in seinen Digital Events / Spotlights / Direct-Sendungen spart, so viel Aufwand und Zeit pumpt es mittlerweile in das Treehouse. Und das ist zunächst einmal gut. Vor allem für die Fans. Sie können sich alle Demos bis ins kleinste Detail anschauen und bekommen noch dazu ein paar Kommentare von den Entwicklern. Nintendo profitiert von ungewöhnlicher Aufmerksamkeit: Der Publisher sendet eine Art Corporate Let’s Play, eine unternehmenseigene Dauerwerbesendung, die sich potenzielle Kunden auch noch bereitwillig anschauen, live. Brillant.
Das Treehouse ist Nintendos hauseigenes Let’s Play
Das hängt sicherlich mit dem Phänomen Let’s Play zusammen; mit einer Generation von Zuschauern, die keine Filter mehr zwischen ihnen und dem Inhalt wollen; keine verdichteten Eindrücke und Informationen, keine aufbereiteten oder inszenierten Inhalte.
Nur mit diesem Phänomen lässt sich erklären, warum so viele Spieler einschalten, wenn Demos, die eigentlich auf zehn Minuten Antesten ausgelegt sind, auf eine halbe Stunde ausgedehnt werden. Nintendos Marketing-Moderatoren sind beileibe keine brillanten Entertainer, aber in jedem Fall authentisch. Sie mischen zwar immer wieder unverhohlene Werbebotschaften in ihre Streams (Stichwort: Dauerwerbesendung), punkten aber weitgehend mit anschaulichen Live-Demos, in denen keine vorgerenderten Trailer im Fokus stehen, die mit Videospielen nicht viel zu tun haben; sondern die echten Spiele.
Nintendo hat die Balance noch nicht richtig gefunden.
Und doch: Nintendo hat die Balance noch nicht richtig gefunden in der komplizierten E3-Aufmerksamkeitsökonomie. Die Treehouse-Streams sind erstens zu lang, oft völlig belanglos und langweilig. Und sie sind vor allem nur etwas für hartgesottene Fans; Fans, die jedes Detail vor allen anderen erfahren wollen, für Fans, die sich extra eine Woche lang freigenommen haben, um die E3 zu verfolgen. 95 Prozent der Zuschauer schalten jedoch nach dem „Spotlight“ aus, dem einführenden Ankündigungsvideo, und bekommen die meisten Details gar nicht mit. Die Präsentation der Ankündigungen, die klassische „Pressekonferenz“ ist nach wie vor der Moment, auf den sich die Aufmerksamkeit konzentriert. Doch sie war zuletzt mit knapp 25 Minuten wohl etwas zu kurz.
Das heißt nicht, dass Nintendo für die E3 2018 auch 90-minütige Pressekonferenzen braucht wie Microsoft. Zuletzt hatte der Xbox-Hersteller alle seine 42 Spiele mit gleichermaßen routiniert-bombastischen wie künstlich-vorgerenderten Trailern zusammengematscht, sodass am Ende nicht mehr viel übrig- oder hängenblieb.
Doch das Medium Live-Pressekonferenz funktioniert nach wie vor super. Das hat Ubisoft auch 2017 wieder gezeigt. Einen sichtlich berührten Games-Produzenten, der im Publikum auf eine Erwähnung von Mastermind Shigeru Miyamoto reagiert, kann man eben nicht für ein Digital Event aufzeichnen. Ein johlendes, begeistertes, überraschtes Publikum lässt den Funken einfach leichter überspringen als ein Manager, der einen philosophischen Vortrag über die Rolle des Gewinnens in Videospielen hält, wie es Reggie Fils-Aimé zuletzt getan hat.
Nintendo sollte sich für kommende E3-Auftritte einen Mittelweg zurechtlegen: eine etwas längere, etwas ausführlichere, etwas gehaltvollere Ankündigungsshow – gerne live und gerne mit echten Menschen – holt die breite Zielgruppe ab. Die Treehouse-Streams versorgen danach die echten Fans. Vielleicht auch nur mit vier Stunden Programm, wenn es dafür gelingt, die Eindrücke etwas besser zu straffen, damit sie nicht so zäh, nicht so repetitiv bleiben, wie sie es 2017 mitunter waren.
Für mich ist das Treehouseformat wie Formel 1 - ich schau mir bestimmt nicht das ganze Rennen Runde für Runde an - aber gerne die Zusammenfassung und die Highlights
Meine Wunschliste steht fest, da brauche ich nicht noch mehr Bildmaterial.
Zudem sie manchmal extrem lange an einem Spiel sitzen... das kann sich bis 45 Min. hinziehen.
Ich habe auch nur Tag 1 angeschaut, und auch nur etwa 70% die mich interessiert haben. Zu viel anzuschauen fühlt sich für mich nach zu viel Spoiler an, gerade bei linearen Spielen...
An sich ist das Format aber von der Idee her sehr gut. Nur etwas flotter und vielleicht wirklich mit Programmvorankündigung.
Und Reggie find ich mittlerweile überholt. Sein Kicking-some-ass-Visage war 2006 sicher cool, aber heute wirkt das nur noch künstlich und deplatziert