LEGO Marvel’s The Avengers
Die Entertainment-Franchises werden langsam knapp: Star Wars, Harry Potter, Jurassic Park – sie alle sind bereits als Klötzchen-Games umgesetzt worden. Auch die Marvel- und DC-Universen gibt es bereits als allumfassende LEGO-Videospiele mit hunderten spielbaren Charakteren. In Ermangelung neuer Franchises stößt LEGO-Stammentwickler Traveller’s Tales jetzt in die tieferen Regionen der Marken vor, die man bereits erkundet hat. Anstatt eines neuen Marvel-Mega-Kompendiums wie „Marvel Super Heroes“ erscheint jetzt Marvel’s The Avengers als LEGO-Spiel, das man eigentlich vor (und nicht nach) einem Spiel erwartet hätte, das noch viel mehr Superhelden umfasst als „nur“ die Avengers. Wer also braucht ein Avengers-Spiel, nachdem alle Avengers schon in LEGO Marvel Super Heroes aufgetaucht sind? Unser Test klärt’s.
LEGO Marvel Cinematic Universe
Die Handlungen großer Filme im LEGO-Stil nachzustellen, ist das Fundament der LEGO-Videospielserie. In den vergangenen Jahren hat sie sich davon aber befreit und immer mehr eigene Geschichten erzählt: mit LEGO Batman, LEGO City Undercover oder LEGO Dimensions. Das brachte den Entwicklern die Freiheit, (Lizenz-)Charaktere zusammenzuwerfen, die man nie zusammen vermutet hätte; und war spielerisch und stilistisch erfrischend.
Auch LEGO Marvel Super Heroes war so ein „LEGO Original“, das nicht auf einem Film basierte, und damit eine gute Menge Originalität mitbrachte. Mit etwa 180 Marvel-Charakteren bewältigte man die LEGO-Missionen und erkundete auch ein frei begehbares Manhattan. LEGO Marvel’s The Avengers dockt spielerisch direkt an seinem geistigen Vorgänger an. Es erzählt aber nun die Originalgeschichte(n) des Marvel Cinematic Universe; dieser Filmfabrik, die seit einigen Jahren mal eher lose, mal sehr eng miteinander verknüpfte Superheldenfilme ausprustet, die schließlich in den beiden Avengers-Filmen miteinander verschmolzen sind (und bis mindestens Mai 2019 weiter verschmelzen werden).
Im Zentrum des neuen LEGO-Spiels stehen die Geschichten von The Avengers und The Avengers – Age of Ultron. Doch der Spieler unternimmt auch Ausflüge in die Vor- und Nebengeschichten, die Captain America, Thor oder Iron Man rund um ihre Avenger-Abenteuer im Kino erlebt haben. Also: Captain America 1 und 2, Iron Man 3 oder Thor – The Dark Kingdom.
Die Geschichten werden nicht nur sklavisch nacherzählt, sondern teilweise auch identisch zu den Filmen inszeniert. Bestimmte ikonische Szenen wurden nahezu 1:1 mit LEGO-Figuren ins Spiel übersetzt, Bild für Bild. Effekte, Slow-Motions oder bestimmten Sound-Effekte inklusive. Manche werden gerade das besonders toll und detailgetreu finden. Andere werden sich fragen, warum sie sich eigentlich die nachgestellte LEGO-Version anschauen sollten, wenn sie auch das Original haben können.
Wie parodiert man eine Parodie?
Die exakte Nachstellung zieht stilistische Konsequenzen nach sich, die man ebenfalls höchst unterschiedlich bewerten kann: Die zwei Avengers-Filme und auch die restlichen Cinematic Universe-Filme sind nicht gerade als knallharte Action-Streifen bekannt. Das macht ihren Charme aus. Die Selbstironie beim Zusammenspiel der Charaktere, die bisweilen völlig überzogenen Action-Szenen und die unbekümmerten Dialoge – das unterscheidet die Marvel-Verfilmungen zum Beispiel von einem bierernsten Batman. Genau diese Attribute waren bislang auch das Aushängeschild der LEGO-Spieleserie.
Funktioniert LEGO Marvel’s The Avengers deshalb also besonders gut? Oder eben gerade nicht? Das muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist jedenfalls, dass dem LEGO-Spiel durch die stilistischen Parallelen zwischen Avengers und LEGO und die akribische Nachinszenierung der Filme, inklusive vieler Gags und Witzchen, gewissermaßen seine Originalität abhandenkommt, seine Eigenständigkeit. LEGOs Avengers spielen sich eher wie eine Lizenzumsetzung, nicht wie ein LEGO-Spiel mit Avengers-Lizenz.
Ansonsten? LEGO halt.
Kennste eines, kennste alle: Das gilt bis auf wenige Nuancen für die
LEGO-Spiele wirklich. LEGO Marvel’s The Avengers bringt spielerisch so
gut wie keine Neuerungen mit. Wer schon viele LEGO-Spiele gespielt hat,
könnte spielerisch also schnell gelangweilt werden.
Das heißt aber nicht, dass der Titel in sich langweilig wäre. Nein, die Missionen sind ziemlich abwechslungsreich. Mal erkundet ihr eine Hydra-Festung oder die SHIELD-Zentrale, dann findet ihr euch in einer Verfolgungsjagd wieder, spielt mit Iron Man so etwas wie einen Space-Shooter oder erkundet eine Stadt. LEGO-Fans haben all das natürlich schon einmal gesehen. Die Spielmechaniken sind in den Spielen der vergangenen Jahre entwickelt worden und werden nun weiterverwertet. So auch die offene Spielwelt, die aus LEGO Marvel Super Heroes entnommen wurde (die wiederum nach dem Vorbild von LEGO City Undercover entstand).
Der Großteil des Spiels besteht aus realistisch gestalteten Außen- oder Innenarealen, die mit Objekten aus LEGO-Steinen vollgestopft sind. Quasi alles ist zerstörbar. Und das Spiel ermuntert auch dazu, die LEGO-Gebilde in ihre Einzelteile zu zerlegen, denn dafür gibt es hunderttausende von Punkten (sogenannte LEGO-Studs). Aus manchen Klötzchen bauen die Figuren dann wieder neue Mechanismen und immer wieder tauchen bestimmte versteckte Extras auf, die es zur 100-Prozent-Komplettierung einzusammeln gilt.
In jedem Level steuert ihr (wie immer) mehrere Marvel-Figuren aus den Marvel-Filmen, die (wie immer) alle ihre ganz besonderen Spezialfähigkeiten haben. Die nutzen sie in den (wie immer) spannungsarmen Kämpfen (zu sterben, bleibt nämlich folgenlos) oder in den (wie immer) anspruchslosen und weitgehend selbsterklärenden Rätseln. Im kooperativen Multiplayer-Modus können Freunde die Kontrolle über die Figuren übernehmen. Wie immer.
Grafisch bleibt das Spiel auf dem hohen Niveau, das es sich über die Jahre aufgebaut hat. Dabei spielt ihm die naturgemäß monochrome Farbgebung der LEGO-Steine in die Karten, die wenig Textur oder Effekt brauchen. Die detaillierten Charaktermodelle und sorgfältig ausgestalteten und vollgestopften Welten zeigen aber, dass die Entwickler sich durchaus Mühe mit der Technik gegeben haben. Das komplette Spiel ist hochwertig in deutscher Sprache synchronisiert, wenn auch nicht mit den Originalschauspielern der Avengers-Filme.
FAZIT:
LEGO Marvel’s The Avengers ist ein weiteres LEGO-Spiel, das alle Erwartungen erfüllt, aber keine übertrifft. Als Lizenzspiel zum Marvel Cinematic Universe spielt es die Handlungen der zwei Avengers-Filme und der Streifen mit den einzelnen Superhelden geradezu akribisch nach. Deshalb ist es in Story und Inszenierung kaum eigenständig. Spielerisch folgt der neue Titel in fast jeder Beziehung dem originellen LEGO Marvel Super Heroes. Das gilt immerhin als einer der Höhepunkte der Reihe. LEGO Marvel’s The Avengers geht also auf Nummer sicher, verlässt sich auf sein funktionierendes, über die Jahre verfeinertes, aber ebenso überraschungsfreies LEGO-Grundkonzept. Man kann LEGO Marvel’s The Avengers allen empfehlen, die entweder große Avengers-Fans oder die ohnehin jedes LEGO-Spiel begeistert aufsaugen und sich nicht daran stören, dass es eigentlich immer das gleiche ist. Wer sich in keiner der beiden Gruppen wiederfindet, wird mit dem Spiel nicht glücklich. Denn bei allem Lizenzfeuerwerk und allen Production Values bleibt es relativ anspruchslos und seicht. LEGO halt.