Kommentar

Kommentar: Ich brauche (noch) keine Switch 2

Von Jeremiah David am 11.06.2025

Ich bin nicht mehr der jüngste Gamer. Seit meiner Jugend in den 90er-Jahren habe ich die Veröffentlichung der ein oder anderen Spielekonsole miterlebt und dieser in der Regel auch entgegengefiebert. Vor einigen Tagen, am 5. Juni, erschien bekanntermaßen Nintendos neue Flaggschiffkonsole und die meisten aus unserer Redaktion sind schon fleißig am zocken. Ich gönne ihnen natürlich den Spaß, kann aber ohne Übertreibung sagen: Noch nie hat mich der Launch einer neuen Nintendo-Konsole so kalt gelassen.

Das hat mehrere Gründe, wovon manche schlicht meinen eigenen Vorlieben zuzuschreiben sind. Ich bin beispielsweise kein großer Handheld-Gamer. Stattdessen zocke ich am liebsten gemütlich auf meiner Couch sitzend vor dem Fernseher. Der größere Bildschirm der Switch 2 mit seinen satteren Farben reizt mich dementsprechend wenig. Auch die integrierte Maus werde ich auf der Couch tendenziell eher nicht nutzen.

Ähnliches gilt für die neuen GameChat-Features. Ich zocke nur selten online, also brauche ich sowas nicht, zumal die hier als neu angepriesenen Funktionen auf Konkurrenzsystemen längst ein alter Hut sind.

Andere Gründe für meine vorläufige Abstinenz haben allerdings weniger mit mir zu tun, sondern mit Nintendos meiner Meinung nach kundenunfreundlicher Politik. Der Preis der Konsole ist zwar höher als erwartet, angesichts der Technik aber wohl nicht unfair. Anders sieht es dagegen bei Zubehör und Spielen aus. Der Pro-Controller kostet 90€, und damit 30€ mehr als die schon nicht günstigen Controller der Xbox oder PlayStation. Die Kamera, die ohnehin nur genutzt werden kann, wenn eine zusätzliche Gebühr für Nintendo Switch Online bezahlt wird, schlägt mit 60€ zu buche. Selbst für eine Joy-Con 2-Aufladehalterung - also eine simple Plastikschale mit USB-C-Verbindung - will Nintendo 35€. Und viele Gamer werden diesen Preis zahlen, weil der beigelegte Joy-Con-Grip der Switch 2 wieder einmal keine Joy-Cons laden kann. Wieso wurde hier ein Anschluss, dessen Herstellung wirklich nicht mehr als ein paar Cent kosten kann, einfach weggelassen? Ihr könnt euch die Antwort denken...

Einen ähnlichen Premium-Preis verlangt Nintendo auch bei den Spielen. Wieso Mario Kart World hierzulande in physischer Form stolze 90 Euro kosten soll, weiß scheinbar nicht einmal Nintendo selbst. Von einer „variablen Preisgestaltung“ ist vage die Rede. Nintendo wolle, so Doug Bowser, von Spiel zu Spiel entscheiden, wie hoch der Preis sein soll. Aber offenbar auch von Region zu Region, denn in den USA etwa gibt es keinen Preisunterschied zwischen der physischen Fassung und dem Download. Dort, im Land der trumpschen Strafzölle, die vermeintlich höhere Preise rechtfertigen würden, kostet Mario Kart World auf einer Softwarekarte 80 Dollar. Wieso dürfen wir in Deutschland bei physischen Spielen tiefer in die Tasche greifen? Schweigen im Walde. Manche Gamer nennen die Inflation als Grund, aber die rechtfertigt keine Preiserhöhung von 50% im Vergleich zum direkten Vorgänger.

Auch die Preise anderer Spiele, speziell von Nintendo, sind mir zu hoch. Bei sogenannten Switch 2 Edition-Spielen handelt es sich um Portierungen alter Switch-Spiele, die zum Teil schon etliche Jahre auf dem Buckel haben, nun aber mit kleinen Verbesserungen neu veröffentlicht werden. The Legend of Zelda: Breath of the Wild kostete zum Release anno 2017 69,99€. Eine schnelle Recherche zeigt, dass einzelne Händler das Spiel damals sogar für 59,99€ oder noch weniger verkauften. Auf der Switch 2 gibt’s das Spiel jetzt dagegen für 79,99€. Die DLCs kosten zusätzliche 20€ und schrauben den Preis damit für eine Complete Edition auf sage und schreibe 100€ hoch – für ein acht Jahre altes Spiel mit überarbeiteten Texturen und erstmals stabiler Framerate.

Während andere Publisher die Preise ihrer Spiele ein paar Monate nach dem Release in der Regel senken, macht Nintendo das exakte Gegenteil: Alte Titel werden jetzt teurer.

Die Nintendo Switch 2 Welcome Tour ist natürlich kein altes Spiel und kostet „nur“ 10 Euro, ist jedoch allem Anschein nach kaum mehr als eine Tech-Demo, die der Konsole eigentlich kostenlos beiliegen sollte. Nintendo selbst beschreibt das Spiel wortwörtlich als „interaktive Ausstellung“. Auf Metacritic hält diese nüchterne Ausstellung mit Minispielen aktuell (Stand 07.06.26) einen Kritiker-Score von 55 und einen User-Score von 3.5. Wer kauft sowas?

Und eines steht fest: Nintendo hat einen solchen Geiz nicht annähernd nötig. Anders als etwa Ubisoft, geht’s Nintendo prächtig. Die Switch ist auf einem guten Weg, die meistverkaufte Konsole aller Zeiten zu werden. Wieso hebt Nintendo also alle Preise so drastisch an, bzw. verkauft ältere Titel nicht zu einem fairen, branchenüblichen Preis? Kurz gesagt: Weil Shuntarō Furukawa und Doug Bowser keine Gamer sind und nicht das Wohl der Kunden, sondern das der Aktionäre im Auge haben. Furukawa ist Banker, während Bowser vor seinem Job bei Nintendo gar bei Procter & Gamble (dem Mutterkonzern von Hygiene-Marken wie Ariel oder Oral-B) angestellt war, ehe er ausgerechnet über EA den Weg zu Nintendo of America fand. Dass ein Konzern Geld verdienen muss, ist klar, das kann er aber auch, ohne dabei seine Kunden so gnadenlos über den Tisch zu ziehen.

Apropos über den Tisch (oder in diesem Fall die Ladentheke) ziehen: Für Switch 2-Spiele von Drittanbietern müssen wir weniger tief in die Tasche greifen, diese setzen aber fast gänzlich auf sogenannte Softwareschlüssel-Karten: Das sind Softwarekarten, die statt einem Spiel nur einen Lizenzschlüssel enthalten. Das Spiel selbst muss aus dem Internet heruntergeladen werden. Das Medium kombiniert also die Nachteile rein digitaler Inhalte mit den Nachteilen physischer Medien: Ihr müsst ewig auf die Fertigstellung eines Downloads warten, der unnötig Speicher frisst, und müsst zum Spielen trotzdem eine Karte in die Konsole stecken. Werden die Download-Server für ein Spiel irgendwann abgeschaltet, werden die Softwareschlüssel-Karten zu nutzlosem Elektroschrott. Einziger Vorteil besagter Karten: Sie können, anders als herkömmliche Downloads, weiterverkauft werden.

Ist denn wenigstens das Launch-Lineup der Switch 2 toll? Denn seien wir ehrlich: Jede Konsole steht und fällt mit ihrem Software-Lineup. Die Antwort hängt davon ab, ob ihr schon andere Konsolen besitzt und Mario-Kart-Fan seid.

Direkt zum Launch wurden 24 Spiele veröffentlicht, von denen jedoch nur drei wirklich neue Spiele sind: Mario Kart World, Fast Fusion und Survival Kids. Dazu kommt noch die oben erwähnte Nintendo Switch 2 Welcome Tour als interaktive Ausstellung. Mario Kart World ist dabei das einzige neue Launch-Spiel, das einen physischen Release bekommen hat. Alle anderen Titel sind Portierungen oder Remastered-Versionen älterer Spiele: Cyberpunk 2077, Hogwarts Legacy, Street Fighter 6, Yakuza 0, etc... Das ist schön für Spieler, die keine Konkurrenzkonsole(n) von Microsoft oder Sony oder gar einen Gaming-PC besitzen, aber eher mau für alle anderen. Das Lineup legt die Vermutung nahe, dass die Switch 2 in absehbarer Zeit vor allem viele Portierungen älterer Spiele bekommen wird.

Im erweiterten Launch-Fenster bis Ende Oktober erscheinen immerhin noch Donkey Kong: Bananza (17. Juli) und Pokémon Legends: Z-A (16. Oktober). Metroid Prime 4: Beyond, Hyrule Warrios: Chroniken der Versiegelung, Kirby Air Riders und das bizarre Rollstuhl-Basketballspiel Drag x Drive sind allesamt für 2025 angekündigt, aber jeweils noch ohne konkreten Veröffentlichungstermin.

Auf Metroid Prime 4 und Mario Kart World habe ich Bock. Es sind für mich keine Must-Have-Titel, aber ich würde sie ungeachtet dessen gerne spielen. Der Rest lässt mich so kalt wie die Konsole selbst. Selbst Donkey Kong: Bananza spricht mich nicht an. Ganz allgemein empfinde ich Nintendos Lineup als nett, aber keinesfalls überragend, und von dieser "netten" Sorte habe ich noch etliche Spiele unangetastet im Regal stehen. Bevor ich mehr als 500 Euro in eine neue Konsole investiere, sollte ich wohl meinen Pile of Shame abarbeiten, zumal ich 3rd-Party-Spiele, die auf mehreren Plattformen erscheinen, tendenziell sowieso immer für meine PS5 kaufen würde, da ich hier keine Softwareschlüssel-Karten zu befürchten brauche und zudem keine "Switch-Steuer" zahlen muss.

Werde ich mir irgendwann eine Switch 2 holen? Höchstwahrscheinlich. Einem großen Zelda-Spiel kann ich nie widerstehen. Aber zum Launch brauche ich keine Switch 2.

Ich wage außerdem noch eine Prognose: Spätestens nach der Weihnachtszeit werden die Verkaufszahlen der Switch 2 massiv einbrechen – deutlich mehr als im Frühjahr üblich. Vielleicht sogar so sehr, dass sich Nintendo gezwungen fühlt, die Preise nach unten zu korrigieren oder, wahrscheinlicher noch, der Konsole ein kostenloses Spiel beizulegen. Dann nämlich haben alle Early-Adopter zugeschlagen und Nintendo muss Eltern dazu bringen, mehr als 500 Euro für ein vermeintliches Kinderspielzeug auszugeben, während es für deutlich weniger Geld schon eine Xbox Series S oder PS5 Digital-Edition (letztere kostet aktuell 399,99€) gibt. Jahrzehntelang profitierten Nintendokonsolen davon, schlicht deutlich günstiger zu sein als Konkurrenzprodukte. Diesen Vorteil hat Nintendo nun aufgegeben, und ich bezweifle, dass Mario Kart World als System-Seller so effektiv sein wird wie The Legend of Zelda: Breath of the Wild es für die erste Switch war. Die größten Titel abseits von Mario Kart - Pokémon Legends und Metroid - betrachte ich darüber hinaus gar nicht als System-Seller, weil sie auch noch für die alte Switch erscheinen. Ein großes Zelda- oder 3D-Mario-Spiel wird in absehbarer Zeit nicht erscheinen. Im Mai 2026 werden Xbox und PlayStation zum Release von GTA VI zudem eine Renaissance erleben und Nintendo vorübergehend in Vergessenheit geraten lassen.

So oder so: Die (Gaming-)Zukunft wird spannend. Und die Switch 2 läuft mir ja nicht davon.

Nur registrierte Benutzer können Kommentare verfassen. Jetzt registrieren