Test

EA Sports WRC

Von Andreas Held am 08.11.2023

Jährliche Lizenzspiele zur World Rally Championship sind zwar nicht annähernd so bekannt wie die FIFA- oder Formel-1-Serien von EA, aber es gibt sie. In den letzten sieben Jahren brachte Kylotonn tapfer jedes Jahr einen neuen WRC-Titel auf den Markt, bis die Reihe 2022 mit WRC Generations abgeschlossen wurde - damals war nämlich schon klar, dass die WRC-Lizenz zu EA gehen würde, und die Franzosen konzentrieren sich seitdem auf den dritten Teil der Test-Drive-Unlimited-Reihe. Mit EA als Lizenznehmer wurde der neue WRC-Titel, der 2023 noch ohne Jahreszahl im Titel als "EA Sports WRC" erscheint, logischerweise von Codemasters entwickelt, die mit der DiRT-Rally-Serie die unter Simulationsfans beliebtesten Offroad-Rennspiele seit Richard Burns Rally veröffentlicht haben. Da kann doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?

Eine kleine Weltreise

EA Sports WRC bietet euch fast alle Events des aktuellen WRC-Eventkalenders. Ausgerechnet die Rally Mitteleuropa, die dieses Jahr als erste internationale Rally in Tschechien, Österreich und Deutschland ausgetragen wurde, fehlt zum Release, soll aber durch einen kostenlosen Patch nachgereicht werden. Damit dies leichter zu verschmerzen ist, haben es außerdem noch fünf fiktive Rallys aus Neuseeland, Indonesien, Spanien, Frankreich und Norwegen ins Spiel geschafft - somit stehen zum Release stattliche 17 und irgendwann sogar 18 Schauplätze zur Auswahl. Innerhalb jeder Rally gibt es 12 Etappen; bei den meisten davon handelt es sich jedoch um Kurz- oder Rückwärtsversionen anderer Strecken, sodass ihr sehr häufig dieselben Wegabschnitte zu sehen bekommt. Da jedoch die längsten Etappen im Spiel über 35 Kilometer lang sind, kann auch hier kaum gemeckert werden.

Ähnlich sieht es beim Fuhrpark aus: EA Sports WRC bietet euch zahlreiche Rennwagen aus der gesamten WRC-Geschichte und setzt dabei nicht nur auf übliche Verdächtige wie den Lancia Stratos oder den Subaru Impreza von Colin McRae, sondern bietet auch ein paar Liebhaberfahrzeuge wie den Vauxhall Astra auf.

Die Fahrphysik, die bereits im Vorfeld von Youtube-Influencern in den Himmel gelobt wurde, bietet für jeden etwas: Mit den Standardeinstellungen eignet sich EA Sports WRC perfekt für entspannende Spazierfahrten, doch mit ausgeschalteten Fahrhilfen wird die Physik so anspruchsvoll, dass sich die Hochleistungsboliden mit einem Gamepad kaum noch auf der Strecke halten lassen. Anders sieht es bei der Kollisionsphysik aus: Von ungewollten Kontakten mit Straßengräben oder Bäumen bliebt euer Rally-Wagen völlig unbeeindruckt, sodass sich die Fahrzeuge selbst mit Absicht kaum aus der Bahn werfen lassen. Folgenschwere Kollisionen, die durch 180°-Drehungen oder einen Ausflug in die Böschung für hohe Zeitverluste und Fahrzeugschäden sorgen, gibt es deshalb praktisch gar nicht mehr. Die meisten Spieler werden dies als Verbesserung empfinden, aber so fehlen eben auch der Nervenkitzel und die ständigen Nahtoderfahrungen, die Rally-Spiele eigentlich ausmachen.

Rudimentäre Spielmodi

Angesichts der stattlichen Streckenauswahl und des üppigen Fuhrparks ist es sehr überraschend, dass Codemasters bei der Entwicklung der verschiedenen Spielmodi kaum mehr als das Nötige getan hat. Der ohnehin schon sehr lineare Karrieremodus wurde noch einmal vereinfacht, was sich vor allem in der Abschaffung von Preisgeldern äußert. Statt Siegprämien bekommt ihr von eurem Geldgeber ein festes Budget gesetzt, das vom Gesamtwert eures Fuhrparks nicht überschritten werden darf. Innerhalb dieser Grenze dürft ihr eure Fahrzeuge dann beliebig hin- und her tauschen. Das ist toll für Gelegenheitsspieler, da sie jederzeit Zugriff auf den gesamten Fuhrpark haben und sich nicht erst Preisgelder verdienen müssen, um auf eine andere Fahrzeugklasse zu wechseln. Sammelwütige, die eine lange Karriere durchspielen und sich eine möglichst vollständige Garage aufbauen wollen, schauen jedoch in die Röhre.

Abseits des Karrieremodus gibt es recht wenig zu tun: Im Einzelspielermodus dürft ihr einzelne Meisterschaften gegen die KI fahren (einen Hotseat-Multiplayer-Modus gibt es nicht) oder im Time-Trial-Modus um Positionen auf den Online-Leaderboards kämpfen. Der Multiplayer-Modus ist nur über private Lobbies zugänglich, denn die täglichen und wöchentlichen Online-Rallys, die in DiRT Rally hauptsächlich für Langzeitmotivation sorgten, wurden ersatzlos gestrichen. Trotzdem setzt EA Sports WRC auf einen Season Pass, für den gleich zwei Abos erforderlich sind: Um alle Belohnungen zu erhalten, benötigt ihr neben einem kostenpflichtigen VIP-Zugang, der nur für die jeweils aktuelle Saison gültig ist, zusätzlich noch ein kostenpflichtiges EA-Play-Abo.

Insgesamt wirkt EA Sports WRC also sehr unfertig. In dieses Bild passt auch, dass der Build-Modus, in dem ihr euren eigenen Rally-Wagen aus verschiedenen mechanischen und kosmetischen Teilen zusammenbauen dürft, in seiner jetzigen Form nicht viel mehr ist als ein nettes Spielzeug. Auch die technische Seite des Spiels ist noch stark verbesserungswürdig: Während der Etappen kommt es auf allen Plattformen immer wieder zu deutlich wahrnehmbaren Rucklern, die den Spielfluss erheblich stören. Dabei wäre die Optik von EA Sports WRC selbst auf der PS4 und der Xbox One nichts Besonderes gewesen; aktuelle Konsolen oder leistungsfähige PCs sollten also eigentlich kein Problem damit haben, eine flüssige Framerate darzustellen.

FAZIT:

EA Sports WRC gibt mir Rätsel auf. Auf der einen Seite wurde mit 17 Ländern, teilweise über 30 Kilometer langen Etappen sowie dem umfangreichen Fuhrpark alles getan, um im Vergleich zu früheren WRC-Titeln einen deutlichen Qualitätssprung hinzulegen, was sich auch in der von Codemasters gewohnt guten Fahrphysik bemerkbar macht. Auf der anderen Seite wirkt der Lizenztitel geradezu unfertig: Eine der Rallys aus dem offiziellen WRC-Kalender fehlt zum Release, die Performance-Probleme sind für ein Rennspiel nicht akzeptabel, und bei den Spielmodi wurde gerade das Nötigste getan, um ein funktionierendes Rally-Spiel auf die Beine zu stellen. Noch kurioser ist, dass ausgerechnet EA in einem solchen Spiel fast ausschließlich auf Single-Player-Modi gesetzt und die aus DiRT Rally bekannten Multiplayer-Features drastisch zusammengekürzt hat. Wenn ihr mit einem streng linearen Karrieremodus zufrieden seid oder ohnehin nur im Time-Trial-Modus eure Bestzeiten verbessern wollt, ist EA Sports WRC aber - nicht zuletzt, weil der Titel zum Release mit einer vergleichsweise günstigen UVP von 49,99€ angeboten wird - mit Sicherheit kein Fehlkauf.

Unsere Wertung:
7.0
Andreas Held meint: "Umfangreiches Rally-Spiel mit toller Fahrphysik, das unter Performance-Problemen und fehlender Langzeitmotivation leidet."
EA Sports WRC von Codemasters erscheint am 03.11.2023 für PC und PlayStation 5 und XBox Series. Wir haben die Version für XBox Series getestet. Für diesen Test wurde uns ein Rezensionsexemplar von EA zur Verfügung gestellt.
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