„Heute nicht bei uns im Test ...“: Nintendos verschärfte Review-Politik
Dieser Leak hat Nintendo richtig aufgeregt
Das hat Nintendo viel Geld gekostet: Schon Wochen vor dem Release des 3DS-Remakes von Mario & Luigi Super Star Saga kursierte bei 4chan, einer der eher düsteren Ecken des Internets, eine digitale Raubkopie des Spiels. Wo die wohl herkam? Das Spiel war schließlich noch nicht erschienen. Nintendo of America ging dem Ganzen auf die Spur und fand in den Tiefen des Codes eine 3DS-Seriennummer; eine Nummer, die das Unternehmen schließlich auf die Spuren desjenigen Kriminellen gebracht hat, der jetzt massig Probleme haben dürfte.Pikant: Es war wohl ein „Influencer“, der das Spiel geleakt hatte. Ein Influencer, den Nintendo vor Release mit einem kostenlosen Download des Spiels versorgt hatte. Zu Testzwecken. Ein massiver Missbrauch von Vertrauen. So berichten es zumindest US-Medien. Nintendo of America ist über den Vorfall wohl so fuchsteufelswild geworden, dass es in den USA jetzt vorerst gar keine Muster mehr gibt; etwa zu Super Mario Odyssey oder Fire Emblem Warriors. Entsprechend wird es zu beiden Spielen vor Release wohl nur wenige Reviews geben, von den größten Magazinen. Wenn die Berichte über den Musterentzug aus Amerika stimmen, hat Nintendo in Übersee kurzerhand mit einer Praxis gebrochen, die seit Jahren eigentlich gut funktioniert. Denn Nintendo und die Games-Medien, zu denen im weiteren Sinne auch NplusX gehört, leben in fast symbiotischer Beziehung voneinander.
Publisher und die Medien: Spiel gegen Unterwerfung
Der Deal: Nintendo legt fest, wann und was berichtet wird, und unterstützt die Berichterstattung mit Testexemplaren. Die Medien bereiten ihre Tests möglichst sorgfältig vor und erzeugen zum Tag X mächtig Buzz um ein Spiel. Diesen Tag X, zu dem ein Test veröffentlicht werden darf, bestimmt auch Nintendo. Er ist Teil eines Embargos, das jeder unterzeichnen muss, der ein Spiel vorab spielen möchte. Der Publisher will damit verhindern, dass alle Geheimnisse schon ausgeplaudert, alle Spielszenen im Internet zu sehen sind, bevor normale Spieler eine Chance haben, das Produkt zu kaufen.
Das ist soweit ein faires Vorgehen – zumindest so lange, wie Medien sich nicht von Nintendos gutem Willen abhängig machen und bei Wertungen Rücksicht auf die zukünftige Kooperation nehmen. Der Hersteller profitiert durch Review-Exemplare von enorm günstig erkaufter, reichweitenstarker Berichterstattung; die Medien, Blogs und Influencer wiederum von gutem, planbarem Content ohne Konkurrenzkampf, Zeitdruck und damit verbundene Nachlässigkeit.
Doch die Embargo-Praxis ist nicht völlig unproblematisch. Gerade bei schwachen Spielen oder Titeln, die (vermutlich) hinter den Erwartungen zurückbleiben werden, legen alle Publisher die Embargo-Termine regelmäßig näher ans Release-Datum. Das Kalkül ist klar. Sind die Scores schlecht, ist der Schaden für die Vorbestellsituation einen Tag vor Release geringer als zwei Wochen davor. Denn schlechte Wertungen können ein Spiel schon killen, bevor es im Handel erscheint; wenn der Hype abflacht und die Vorfreude einem Abwarten weicht, das früher oder später einen Druck auf den Preis und damit den Umsatz ausüben wird.
Nintendo hat eigentlich kein Problem mit den Medien
Diese Probleme hat Nintendo nur selten; ein Beispiel war etwa Mario Tennis – Ultra Smash, zu dem wir unseren ernüchternden Test erst zwei Tage vor Release bringen durften. Doch gemeinhin sind die Nintendo-Marken so stark und die Spiele so gut, dass sie auch überdurchschnittlich gut bewertet werden. Nintendo hat kein Problem mit seinen Medien, im Gegenteil. Zu vielen, wie etwa auch NplusX oder unseren Vorgängermagazinen, pflegt das Unternehmen jahrelange Kontakte. Doch mit den sozialen Medien kommen fast täglich neue junge Leute auf die Bildfläche, die nominell Reichweiten haben wie eine BILD-Zeitung, aber erst 16 sind und völlig unerfahren mit Embargos und ihren hohen Konventionalstrafen, mit den Regelungen und Vereinbarungen mit einem Großkonzern.Es ist fast unumgänglich, dass unter diesen Influencern auch mal vereinzelt faule Eier sind. Eines dieser faulen Eier hat Nintendo jetzt beim Betrug erwischt – aber wahrscheinlich die falsche Konsequenz daraus gezogen. Anstatt sich die neuen Partner besser und sorgfältiger auszusuchen, bestraft Nintendo mit der Gießkanne viele seine Medienpartner, auch die langjährigen – und vertut damit die Chance auf ehrliche Berichterstattung über seine Spiele, die, letztlich, ja nichts anderes ist als kostenlose Werbung.
Aber ehrlicherweise muss man ja auch sehen: Super Mario Odyssey ist eine andere Hausnummer als das 3DS-Remake vom GBA. Ein Leak zum meisterwarteten Spiel des Jahres würde Millionen Kosten. Nintendo fährt also die sichere Schiene. Anstatt zu sehen, wie gut und problemlos die Review-Bemusterung jahrelang lief, ist nun ein Einzelfall der Stein des Anstoßes. Eines darf man aber wohl auch prognostizieren: Super Mario Odyssey wird wohl nicht darauf angewiesen sein, von unabhängigen Kritikern beäugt zu werden; viele Nintendo-Fans werden bei Mario ohnehin blind zugreifen. Es wird wohl keine schlechte Entscheidung sein.
Vielleicht wäre ein stärkeres Sicherheitssystem besser: Mit Authentifizierung der Codes, die raus gegeben werden, damit auch Ansprechpartner vorhanden sind, etc.
So kann man gezielter schwarze Schafe aussortieren.
Fire Emblem Warriors haben wir schon Anfang Oktober bekommen. Somit war mehr genug Zeit, den Titel vor dem Erscheinen eines Tests durchzuspielen.
Dennoch muss vor allem der Einzelne stärker bestraft werden, sodass es auch zu einer Abschreckung kommt. Ich hoffe, dass Nintendo in Zukunft auf letzterem eher den Fokus setzt, da sonst nur Eigenschaden bei entsteht!
Aber das sind doch ihre Produkte... Sie können mit den Informationen umgehen, wie sie wollen.
Das ist doch eine logische Konsequenz. Jeder gibt von sich selbst so viel preis, wie man es selbst für richtig hältst. Sauer wärst du auch, wenn jemand anderes alles über dich preis gibst.
Selbst wenn es Informationen sind, die du selbst vielleicht offen legen würdest.
Es geht ja um das Prinzip des Vertrauensbruch.
Und die Entscheidung, bis auf Weiteres erstmal keine Testmuster mehr auszuhändigen finde ich ja völlig korrekt, darüber streite ich ja gar nicht.